Ute Cohen

Caroline Fourest und die Tugendwache

»Wenn die Tassen fliegen, hat das freie Individuum versagt«: Ute Cohen über ihr Buch »Der Geschmack der Freiheit« Foto: privat

Ute Cohen

Caroline Fourest und die Tugendwache

Hanebüchener Klamauk und persönliche Befindlichkeiten: Die Berliner Volksbühne will die französische Schriftstellerin und Journalistin Mores lehren

von Ute Cohen  20.04.2022 08:30 Uhr

»Before I speak I have something important to say« (Bevor ich spreche, habe ich etwas Wichtiges zu sagen«) – dieser urkomische Redebeginn stammt vom berühmten jüdischen Komiker Groucho Marx. Die Marx Brothers mokierten sich über sinnentleertes Palaver genauso wie über wichtigtuerische Selbstinszenierer, derer es – und damit wären wir in Berlin – nicht wenige gibt.

Vor Kurzem erst machte die Hauptstadt wieder mit hanebüchenem Klamauk von sich reden. Die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz wollte die französische Schriftstellerin und Journalistin Caroline Fourest Mores lehren.

befindlichkeiten Fourest, jüdischer Herkunft, engagiert sich seit Jahren gegen den zunehmenden Antisemitismus in der Antirassismus-Bewegung und gegen falsche Toleranz gegenüber Islamisten bei woken Linken. Sie versteht sich als feministische, dezidiert laizistische Charlie-Hebdo-Linke, die sich mehr um materielle Lebensbedingungen, Kaufkraft und Renten kümmert als persönliche Befindlichkeiten wirklichkeitsfremder Sensibelchen.

»Generation Beleidigt« heißt folgerichtig ihr Buch, das sie im Mai an der Volksbühne vorstellen sollte. Die Veranstaltung war seit einem halben Jahr geplant. Klaus Bittermann, der das Buch in seiner Edition Tiamat verlegt, konnte die Kuratorin der Lesebühne, Sabine Zielke, postwendend für das Event gewinnen.

Auf Schmu und Schmonzes folgt das große Schweigen.

Gerechnet hatten die beiden aber nicht mit der woken Tugendwache, die das Risiko einer möglichen Ehr- und Ideologieverletzung nicht eingehen wollte. Hinter den Buchtitel sollte ein Fragezeichen gesetzt und auf der Bühne ein Anstandswauwau, am besten ein Rassismusforscher, postiert werden, der einer allzu forschen Fourest im Zweifelsfall Einhalt gebieten könnte.

Diese Vorgaben wollten Fourest und Bittermann, ein für sein Engagement gegen Antisemitismus und seine Förderung eigensinniger Denker bekannter Verleger, nicht hinnehmen. Sie sagten ab. René Pollesch, der Intendant, hat sich trotz einer Bitte des Verlegers um Stellungnahme noch nicht geäußert. Auf Schmu und Schmonzes folgt das große Schweigen.

Die Autorin ist Frankreich-Korrespondentin.

Meinung

Die UN, der Holocaust und die Palästinenser

Bei den Vereinten Nationen wird die Erinnerung an den Holocaust mit der »Palästina-Frage« verbunden. Das ist obszön, findet unser Autor

von Jacques Abramowicz  25.04.2025

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt wie die von Sophie von der Tann sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  24.04.2025

Essay

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  24.04.2025

Meinung

Ich habe versagt

Damit sich ein Ereignis wie die Schoa nicht wiederholt, kommt es darauf an, wie wir erinnern. Doch wir sind offenbar dabei, genau das den Falschen zu überlassen

von Sophie Albers Ben Chamo  23.04.2025

Jom Haschoa

Zwei Minuten Stillstand?

Sollte in Deutschland in derselben Art und Weise wie in Israel an die Opfer der Schoa erinnert werden? Ein Gastbeitrag von Felix Klein

von Felix Klein  22.04.2025

Kommentar

Bezalel Smotrich, die Geiseln in Gaza und der moralische Teufelskreis

Zum Gesellschaftsvertrag in Israel gehört es, dass kein Soldat und kein Opfer von Terror zurückgelassen wird. Niemand! Niemals! Koste es, was es wolle. Was es bedeutet, dies nun in Frage zu stellen

von Daniel Neumann  22.04.2025

Kommentar

Bis zuletzt wollte Mustafa A. aus Lahav Shapira einen Täter machen

Dem Täter tue es leid, dass sein Angriff »instrumentalisiert wird, um jüdischen Bürgern Angst einzuflößen«. Ein unverfrorener Satz

von Nils Kottmann  17.04.2025

Volker Beck

Den Kampf gegen Antisemitismus nicht vereinnahmen

US-Präsident Trump nimmt den Antisemitismus an der Harvard University zum Anlass für einen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit und die Rechtsgleichheit für alle

von Volker Beck  16.04.2025

Lasse Schauder

Wer den Begriff »Islamismus« bannen will, ist politisch unmündig

Die Berliner Jusos haben beschlossen, aus Gründen der Sprachsensibilität künftig nicht mehr von »Islamismus« sprechen zu wollen. Das ist ein fatales Signal an Betroffene extremistischer Gewalt

von Lasse Schauder  16.04.2025