Für ein »freies Palästina« und unter dem Motto »From the River to the Sea Palestine will be free« wollen in Zürich die Menschen am kommenden Samstag auf die Straße gehen - ausgerechnet am 27. Januar, dem Holocaust-Gedenktag.
Dass sich die Teilnehmenden nicht um das Datum scheren (oder es bewusst wählen), ist das eine. Dass sich die Polizei der Stadt Zürich im Vorfeld der Veranstaltung offenbar nicht bewusst war, um welches Datum es sich dabei handelt, kann nur mit mangelnder Sensibilität erklärt werden. Warum bewilligt die Polizei ausgerechnet für den 27. Januar eine solche Groß-Demo?
Man sei sich »der Brisanz des Datums im ersten Augenblick nicht bewusst gewesen«, hieß es von Seiten der Stadt. Kann man bei einer Behörde einer Stadt von der Größe Zürichs, die sich im Kampf um Antisemitismus immer darum bemüht, gute Arbeit zu leisten, effektiv erwarten, ein solches Datum auf dem Schirm zu haben?
In der Tat – hier sei an den kläglichen Versuch erinnert, als die Stadtpolizei aus Sorge vor antisemitischen Angriffen die für eine Mahnwache aufgestellten Teddybären auf dem Sechseläutenplatz entfernte (die JA berichtete). Kaum drei Wochen nach dem 7. Oktober ließ die Stadt Zürich in einem Kommuniqué verlauten: »Der Stadtrat verurteilt den abscheulichen terroristischen Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 aufs Schärfste. Die seither feststellbare Zunahme antisemitischer Aktivitäten in Zürich bereitet ihm Sorge. Antisemitismus und jede Form von Diskriminierung und Gewalt gegen Minderheiten haben in Zürich keinen Platz.«
Der Stadtrat verurteilt den Terror - und bewilligt eine ProPalästina-Demo
Trotzdem bewilligt die Stadt Zürich eine Demonstration, die überdies mit ihrem Veranstaltungsflyer provoziert. Darauf steht in arabischen Lettern der vielfach bei solchen Demos skandierte antisemitische Slogan »From the river to the sea«, mit dem zur Vernichtung des jüdischen Volkes in Israel aufgerufen wird. Das bedeutet eine neue Eskalationsstufe. Bisher wurde die Parole bei »Pro-Palästina«-Demonstrationen lediglich skandiert und auf Bannern gezeigt.
Nun gehen die Veranstalter einen Schritt weiter, indem sie den Slogan bewusst auf einen Flyer gesetzt haben. Aber die Sache beinhaltet einen sonderbaren Zynismus: Gleichzeitig wird auch – wohlgemerkt ganz klein gedruckt – auf dem Flyer darauf aufmerksam gemacht, dass für »Rassismus, Islamfeindlichkeit und Antisemitismus« kein Platz sei.
Wie naiv muss man denn sein, um das zu glauben? Das ist keine Friedensdemo, es geht um mehr. Dessen sind sich die Veranstalter offenbar auch bewusst gewesen, sonst hätten sie kaum den Spruch auf Arabisch geschrieben. Und die Leute fallen offensichtlich darauf ein. Auf Instagram haben mehr als 2000 Personen den Aufruf des Palästina-Komitees Zürich geliked, auch Schweizer Politiker und Politikerinnen. Nun befasst sich die Zürcher Staatsanwaltschaft mit der Veranstaltung.
Die Zürcher Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) hat letzte Woche gegen die Veranstalter Anzeige eingereicht. Die GRA hält in ihrem Schreiben an die Behörden fest, die Veranstalter würden gegenüber dem Schweizer Durchschnittsleser ihre wahren Absichten verschleiern, indem sie im Flyer schrieben, man sei gegen Antisemitismus. Gleichzeitig werde auf Arabisch aber zur Vertreibung und Vernichtung aller Juden aufgerufen.
Der Slogan ist bis dato nicht strafbar, aber antisemitische Parolen können zusehends kaschiert geäußert werden. Das ist für jüdische Menschen ein unerträglicher Gedanke – ausgerechnet am 27. Januar. Dass die Demonstration mittlerweile in eine Kundgebung verwandelt wurde, macht die Sache nicht besser.
Die Zürcher Sicherheitsdirektion sah sich jedenfalls nicht dazu verpflichtet, die Veranstaltung am Holocaust-Gedenktag zu verbieten. »Der historische Hintergrund des 27. Januar ist an sich kein hinreichender Grund, um eine Demonstration zu verbieten. Die juristischen Hürden für ein Demonstrationsverbot sind hoch«, hieß es von städtischer Seite.
Juristisch sind ihr die Hände vielleicht gebunden – aber ein bisschen mehr Empathie für eine Minderheit, die sich in Zürich zu Hause wähnt, wäre nicht zu viel verlangt gewesen. Strafrecht ist das eine, moralische Verpflichtung das andere.
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