Angriff auf Synagoge

Berliner Zustände

Philipp Peyman Engel, Redakteur der Jüdischen Allgemeinen Foto: Marco Limberg

Vor genau sechs Monaten sind meine Frau und ich Eltern eines Töchterchens geworden. Jeder Vater weiß, wie es sich anfühlt, auf einmal für ein kleines Baby verantwortlich zu sein, das auf die Fürsorge und den Schutz seiner Eltern angewiesen ist. Zugleich ist man als Vater oder Mutter stark verwundbar: Man möchte sein Kind, das man so sehr liebt, um alles in der Welt schützen, alle Gefahren von ihm fernhalten.

An diesem Dienstag nun wollen wir mit der Kleinen zum ersten Mal an Jom Kippur in die Synagoge. Und es ist nur schwer zu beschreiben, wie sich der geplante Besuch am Versöhnungstag lange Zeit anfühlte. Gefahr für Leib und Leben begleitete uns und die anderen Berliner ganze vier Tage lang.

KAMPFMESSER Der Grund könnte besorgniserregender nicht sein: Vergangenen Freitag suchte ein 23-jähriger Syrer die Synagoge Oranienburger Straße in Berlin auf, zückte ein Kampfmesser, rief »Allahu Akbar«, »Fuck Israel!« und bedrohte das Sicherheitspersonal. Der Angreifer konnte von den Polizisten zum Glück gestoppt werden.

Jom Kippur in Angst: Der 23-jährige Täter aus Syrien lief vier Tage frei herum.

Nachts war er in Haft, doch schon morgens kam er wieder auf freien Fuß. Die Erklärung der Staatsanwaltschaft: Der Mann habe niemanden verletzen, sondern »nur« bedrohen wollen. Gefahr sei nicht in Verzug gewesen, ein Haftgrund liege nicht vor.

Danach war der Mann nicht mehr auffindbar. Von ihm fehlte jede Spur. Erst heute, am Dienstagmittag, kurz vor Jom Kippur, gab die Berliner Staatsanwaltschaft bekannt, dass sich der Täter jetzt in einer Psychiatrie befindet.

ANTWORT Wie kann es sein, dass der Mann vier Tage lang frei herum laufen konnte? Die Justiz ist uns eine Antwort schuldig. Wurde nicht vor wenigen Monaten bei der Generalstaatsanwaltschaft eine Antisemitismusbeauftragte berufen, um für judenfeindliche Bedrohungen zu sensibilisieren? Und wo sind nun eigentlich all jene Politiker gewesen, die sonst bei jeder Gelegenheit beschwören, dass Judenhass in Berlin keinen Platz hat?

Wurde nicht erst neulich Monaten bei der Staatsanwaltschaft eine Beauftragte gegen Antisemitismus berufen, um für das Thema zu sensibilisieren?

Man sollte annehmen, dass die Abwendung einer akuten Bedrohung der jüdischen Gemeinschaft in Berlin Chefsache ist. Stattdessen hat der rot-rot-grüne Senat wieder einmal seine gefährliche Inkompetenz bewiesen – und versucht, die Sache auszusitzen.

Staatsanwaltschaft und Politik können von Glück reden, dass der Angreifer nicht ein zweites Mal mit seinem Kampfmesser eine Synagoge aufsuchte. Künftig müssen die Verantwortlichen entschlossen und unverzüglich den Schutz unserer Gemeinschaft gewährleisten – und uns in der Zwischenzeit bitte mit verlogenen Phrasen wie »Nie wieder!« verschonen.

engel@juedische-allgemeine.de

Migrationspolitik

Reißt euch zusammen!

Die Parteien der demokratischen Mitte müssen endlich Kompromisse eingehen – alles andere stärkt die Extremisten. Ein Appell unserer Redakteurin Ayala Goldmann

von Ayala Goldmann  05.02.2025

Meinung

Die Union kämpft für den Erhalt der Demokratie

Keine Demokratie bleibt Volksherrschaft, wenn sie auf Dauer den Willen des Volkes missachtet

von Michael Wolffsohn  05.02.2025

Meinung

Die Union legitimiert die AfD und diffamiert alle Migranten

Friedrich Merz schafft ein Umfeld, in dem Antisemitismus gedeiht, wenn er die Punkte der AfD übernimmt

von Liora Jaffe  05.02.2025

Appell

Reißt euch zusammen!

Die Parteien der demokratischen Mitte müssen in der Migrationspolitik endlich Kompromisse eingehen – alles andere stärkt die Extremisten

von Ayala Goldmann  05.02.2025

Kommentar

Historischer Tabubruch? Einreißen der Brandmauer?

Friedrich Merz und die Verschärfung der Migrationspolitik: Eine Einordnung von JA-Chefredakteur Philipp Peyman Engel

von Philipp Peyman Engel  05.02.2025 Aktualisiert

Kommentar

Hoffen wir, dass Donald Trump einen Plan hat

Der US-Präsident will den Gazastreifen besetzen und hätte nichts dagegen, wenn Israel Teile des Westjordanlands annektieren würde. Was will er damit bezwecken?

von Nils Kottmann  05.02.2025 Aktualisiert

Meinung

Das erdrückende Schweigen der »Anständigen« beim Thema Antisemitismus

Hunderttausende demonstrieren gegen Rechtsextremismus und skandieren »Nie wieder ist jetzt«. Doch beim Antisemitismus sind sie erstaunlich still

von Ralf Balke  03.02.2025

Meinung

Ohne sie sind wir nicht vollständig

Wir dürfen und werden nicht ruhen, bis endlich wieder alle Geiseln zu Hause sind

von Benjamin Graumann  02.02.2025

Meinung

Mutig wie Liri Albag

Ein Mädchen, das gerade einmal 18 Jahre alt war, als es von Hamas-Verbrechern verschleppt wurde, ist zum Symbol für Kraft und Resilienz geworden – und zum Vorbild für uns alle

von Sophie Albers Ben Chamo  01.02.2025