Sigmount Königsberg

Berlin-Monitor: Alles halb so schlimm?

Sigmount Königsberg ist Antisemitismusbeauftragter der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Foto: Gregor Zielke

Sigmount Königsberg

Berlin-Monitor: Alles halb so schlimm?

Für die Bekämpfung des Antisemitismus ist es kontraproduktiv, wenn detailliertere Resultate erst nachrangig erwähnt werden

von Sigmount Königsberg  29.08.2019 07:13 Uhr

Als am 21. August der erste Berlin-Monitor veröffentlicht wurde, der Antisemitismus zum Schwerpunkt hat, titelten mehrere Medien, Judenhass sei in Berlin nicht so schlimm wie anderswo in Deutschland. Ich höre schon die Kommentare an den Stammtischen und in den Sozialen Medien: »Juden sollen sich nicht so anstellen und endlich mal die Klappe halten mit dem Antisemitismus.«

Wir werden das aber nicht tun. Judenhass ist Alltagserfahrung. Antisemitismus ist ein Chamäleon – er wandelt sich. Vor 700 Jahren warf man Juden Kindestötungen vor. Heute heißt es »Kindermörder Israel!« und liefert den Vorwand, Menschen mit Kippa anzugreifen. Es ist keine Überraschung, dass beim israelbezogenen Antisemitismus viel höhere Zustimmungswerte festgestellt werden als bei den »klassischen« Formen.

Der Judenhasser von heute sagt eben, dass er Zionisten und Israel verabscheut.

28 Prozent der Berliner ohne Migrationshintergrund halten die Gründung Israels für eine schlechte Idee, 35 Prozent von ihnen meinen, dass Israel »wie Nazis« agiere. Diese Aussagen fanden bei bis zu 55 Prozent der Befragten ohne deutsche Staatsangehörigkeit deutlich mehr Zuspruch. Antisemitismus wird nicht mehr direkt, sondern über den Umweg Israel kommuniziert.

PARADIGMENWECHSEL Der Judenhasser von heute sagt eben, dass er Zionisten und Israel verabscheut. Dies ist eine der Lektionen, die der Antisemit aus Auschwitz gelernt hat: seine Ressentiments öffentlich zu kommunizieren, ohne sozial geächtet zu werden.

Es ist für die öffentliche Debatte und die Bekämpfung des Antisemitismus kontraproduktiv, wenn diese Resultate – wenn überhaupt – erst nachrangig erwähnt werden. Schon die Intensität, die die deutsche Öffentlichkeit bezüglich Israel an den Tag legt, ist irritierend. Die Maßstäbe, die an dieses Land angelegt werden, sind es noch mehr.

Die hohe Zustimmung für die Dämonisierung und Delegitimierung Israels muss einen Paradigmenwechsel in der Antisemitismusbekämpfung zur Folge haben. Ein essenzieller Baustein wären Reisen nach Israel für alle Schüler. Auch der Ausbau der Städtepartnerschaften mit Israel wäre hilfreich – Begegnungen auf allen Ebenen können einen entscheidenden Beitrag zur Reduzierung dieses Ressentiments leisten.

Der Autor ist Antisemitismusbeauftragter der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

Meinung

Ein Friedensplan, der keiner ist?

Die von den Amerikanern vorgelegten Punkte zur Beendigung des Ukraine-Kriegs sind kein fairer Vorschlag, sondern eine Belohnung für den russischen Aggressor

von Alexander Friedman  24.11.2025

Meinung

Der Weg zum Frieden in Nahost führt über Riad

Donald Trump sieht in Saudi-Arabien zunehmend einen privilegierten Partner der USA. Die Israelis müssen gemäß dieser neuen Realität handeln, wenn sie ein Abkommen mit dem mächtigen Ölstaat schließen wollen

von Joshua Schultheis  24.11.2025

Existenzrecht Israels

Objektive Strafbarkeitslücke

Nicht die Gerichte dafür schelten, dass der Gesetzgeber seine Hausaufgaben nicht macht. Ein Kommentar

von Volker Beck  23.11.2025

Kommentar

Wenn Versöhnung zur Heuchelei wird

Jenaer Professoren wollen die Zusammenarbeit ihrer Universität mit israelischen Partnern prüfen lassen. Unter ihnen ist ausgerechnet ein evangelischer Theologe, der zum Thema Versöhnung lehrt

von Tobias Kühn  21.11.2025

Kommentar

Martin Hikel, Neukölln und die Kapitulation der Berliner SPD vor dem antisemitischen Zeitgeist

Der bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Meinung

Alles muss ans Licht

Eine unabhängige Untersuchungskommission über die Terroranschläge des 7. Oktober ist ein Akt von Pikuach Nefesch

von Sabine Brandes  21.11.2025

Jan Feldmann

Eine Revolution namens Schabbat

Wir alle brauchen einen Schabbat. Selbst dann, wenn wir nicht religiös sind

von Jan Feldmann  19.11.2025

Kommentar

Danke, Berlin!

Die Entscheidung der Behörden, einem Hamas-Fanboy die Staatsbürgerschaft zu entziehen, sendet ein unmissverständliches und notwendiges Signal an alle Israelhasser. Mit Mahnwachen allein können wir die Demokratie nicht verteidigen

von Imanuel Marcus  19.11.2025

Meinung

Die Schönwetterfreunde Israels sind zurück! 

Die Wiederaufnahme der Waffenexporte ist richtig und notwendig. Doch das ändert nichts daran, dass die Bundesregierung das Vertrauen Israels und vieler Juden vorerst verloren hat

von Sarah Cohen-Fantl  18.11.2025 Aktualisiert