Abwarten und bloß keine Entscheidungen treffen – das scheint so etwas wie die Grundhaltung im Berliner Senat zu sein. So attestieren Experten dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller durch die Bank ein katastrophales Krisenmanagement angesichts der Coronavirus-Pandemie. Viel zu lange hatte es gedauert, bis man sich zu einem Verbot von Großveranstaltungen durchringen konnte.
Auch Innensenator Andreas Geisel zögerte, als Bundesgesundheitsminister Jens Spahn empfahl, dass es vielleicht eine sinnvolle Präventionsmaßnahme sei, alle Events mit mehr als 1000 Teilnehmern auf Eis zu legen. »Einfach so was in den Raum stellen, ist schwierig«, lautete sein Kommentar dazu. Erst als der Druck zu groß wurde, kam die Kehrtwende um 180 Grad. Viel zu spät, wie Gesundheitsfachleute betonen.
INNENSENATOR Auch bei einem ganz anderen Thema kann sich der Innensenator offensichtlich nicht zu einer Entscheidung aufraffen, und zwar zu einem Verbot des jährlichen Al-Quds-Marsches. »Wir arbeiten noch daran, so etwas in unserer Stadt unmöglich zu machen«, sagte er der Presse. Das war im Februar.
Dabei wäre es – Corona sei Dank – ein Leichtes, diesem Schaulaufen der Antisemiten nun ein Ende zu bereiten. Veranstaltungen wurden bereits gestrichen. Alle Paraden, Sportevents oder sonstigen Großereignisse dieses Jahr fallen aus – entweder, weil die Organisatoren die Reißleine ziehen oder aber die Bezirke Druck machen. Selbst der CSD wackelt, und der findet erst im Juli statt.
Der Hinweis auf die Coronavirus-Krise wäre ein wunderbares Verbotsargument für den Al-Quds-Marsch, dem sich niemand entziehen könnte.
Warum also soll das ausgerechnet beim Al-Quds-Tag nicht möglich sein? Der Hinweis auf die Coronavirus-Krise wäre ein wunderbares Verbotsargument, dem sich niemand entziehen könnte.
Aber dafür müssten Geisel & Co. erst einmal aktiv – quasi zum Jagen getragen – werden, wie es so schön heißt. Und genau das ist das Problem.
Der Autor ist Journalist in Tel Aviv und Berlin.