Meinung

Beängstigend

Über eine Woche sprach Deborah Feldman öffentlich Personen ihr Jüdischsein ab. Mit der Halacha hatte das aber nichts zu tun. Eine Wortmeldung von Mirna Funk

von Mirna Funk  22.02.2024 07:35 Uhr

Mirna Funk Foto: Anna Rose

Über eine Woche sprach Deborah Feldman öffentlich Personen ihr Jüdischsein ab. Mit der Halacha hatte das aber nichts zu tun. Eine Wortmeldung von Mirna Funk

von Mirna Funk  22.02.2024 07:35 Uhr

Was haben wir gesagt? Was haben wir nicht schon vor Monaten gesagt? Was haben wir erst vorsichtig leise, dann immer lauter gesagt? Dass Deborah Feldman über keinerlei Wissen zur jüdischen Erfahrung und Community in Deutschland verfügt. Dass es deshalb einen großen Schaden verursacht, weil sie medial ständig und überall für diese jüdische Community zu sprechen versucht, so als sei sie ein Teil davon.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Weil jemand, der in den Vereinigten Staaten aufgewachsen ist, also in der größten jüdischen Gemeinde in der Diaspora, und erst vor rund zehn Jahren nach Berlin gekommen ist, möglicherweise nicht die beste Repräsentantin für die deutsch-jüdische Community ist.

Die Gewalt und Wucht, mit der Deborah Feldman wie ein Tsunami durchs Internet fegt, ist ohnegleichen.

Seit über einer Woche müssen nun alle dabei zuschauen, was passiert, wenn jemand ohne notwendiges historisches Grundlagenwissen den Deutschen die in Deutschland lebenden Juden erklären will. Das Grundlagenwissen nämlich, zu dem gehört, dass von ursprünglich mehr als 500.000 deutschen Juden nach dem Nationalsozialismus nur noch etwa 30.000 übrig blieben: rund 25.000 in der Bundesrepublik und etwa 5000 in der DDR.

»Übrig gebliebene« Juden

Dass ein großer Teil dieser »übrig gebliebenen« Juden ursprünglich gar nicht aus Deutschland stammte, sondern hier landete, nachdem sie aus osteuropäischen Konzentrationslagern befreit und in Camps für Displaced Persons untergebracht wurden. Dass aufgrund dieser geringen Anzahl von Überlebenden des Holocaust gemischte Ehen zur Normalität wurden. Dass in der DDR die jüdische Identität der übergeordneten Sache zum Opfer fiel, nämlich dem Sozialismus.

Dass dann seit den frühen 90er-Jahren rund 200.000 Juden aus der ehemaligen So­wjetunion nach Deutschland kamen, die auch wegen derselben übergeordneten Sache Repressalien, Unterdrückung und Verfolgung erlebt hatten und ihr Jüdischsein nie frei leben durften. Dass diese Geschichte – die Geschichte der europäischen Juden – eine Geschichte des Bruchs ist. Jener Bruch, der erst das europäische Judentum auslöschte, dann in Osteuropa sowie der DDR die dort ansässigen Juden dazu zwang, ihr Jüdischsein zu verstecken.

Die Empathielosigkeit, mit der sie über Menschen urteilt, die ihr Leben lang schon diesen historischen Bruch in sich tragen, ist beängstigend.

Die Gewalt und Wucht, mit der Deborah Feldman wie ein Tsunami durchs Internet fegt, um Juden ihr Jüdischsein abzusprechen, sie zu diffamieren, Lügen über sie zu verbreiten und zu diskreditieren, ist ohnegleichen. Die Ignoranz, mit der sie aus ihrer privilegierten amerikanischen Erfahrung spricht, nämlich eine von 7,5 Millionen Jüdinnen und Juden zu sein, und dabei keinerlei Verständnis für den historischen Bruch aufbringen kann, der das europäische und insbesondere deutsche Judentum zutiefst prägt, ist erschütternd.

Jubel vonseiten der üblichen Verdächtigen

Die Empathielosigkeit, mit der sie über Menschen urteilt, die ihr Leben lang schon diesen historischen Bruch in sich tragen, ist beängstigend. Aber noch viel beängstigender ist, dass Deborah Feldmans ganz persönliche Halacha sich gar nicht wirklich an den jüdischen Gesetzen orientiert, sondern an ihrer politischen Ausrichtung und man ihr trotzdem – oder gerade deshalb – vonseiten der üblichen Verdächtigen zujubelt.

Deswegen ist es auch kein Zufall, dass sie selbst dem Hochstapler und Kostümjuden Fabian Wolff in einem »Spiegel«-Interview im vergangenen Sommer – trotz des Wissens um sein fehlendes Jüdischsein – seine Selbstdefinition von Jüdischsein zugestand. Schließlich teilen sie beide dieselbe antizionistische Haltung. Für Feldman gilt: Jude ist, wer Antizionist ist. Das allerdings hat nichts mit jüdischer Gesetzgebung zu tun, sondern einzig und allein mit ihrer persönlichen Agenda.

Die Autorin ist Schriftstellerin und Journalistin.

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 27. Februar

 21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Bayern

NS-Raubkunst: Zentralrat fordert schnelle Aufklärung

Der Zentralrat der Juden verlangt von den Verantwortlichen im Freistaat, die in der »Süddeutschen Zeitung« erhobenen Vorwürfe schnell zu klären

 20.02.2025

Kolumne

Unentschlossen vor der Wahl? Sie sind in guter Gesellschaft – mit Maimonides

Der jüdische Weise befasste sich mit der Frage: Sollten wir als Kopfmenschen mit all unserem Wissen auch bei Lebensentscheidendem dem Instinkt vertrauen?

von Maria Ossowski  20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

NS-Unrecht

Jüdische Erben: »Bayern hat uns betrogen« - Claims Conference spricht von »Vertrauensbruch«

Laut »Süddeutscher Zeitung« ist der Freistaat im Besitz von 200 eindeutig als NS-Raubkunst identifizierten Kunstwerken, hat dies der Öffentlichkeit aber jahrelang verheimlicht

von Michael Thaidigsmann  20.02.2025

Literatur

»Die Mazze-Packung kreiste wie ein Joint«

Jakob Heins neuer Roman handelt von einer berauschenden Idee in der DDR. Ein Gespräch über Cannabis, schreibende Ärzte und jüdischen Schinken

von Katrin Richter  20.02.2025

Berlinale

Auseinandergerissen

Sternstunde des Kinos: Eine Doku widmet sich David Cunio, der am 7. Oktober 2023 nach Gaza entführt wurde, und seinem Zwillingsbruder Eitan, der in Israel auf ihn wartet

von Ayala Goldmann, Katrin Richter  19.02.2025

Berlin

»Sind enttäuscht« - Berlinale äußert sich zu Antisemitismus-Skandal

»Beiträge, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, überschreiten in Deutschland und auf der Berlinale eine rote Linie«, heißt es in einer Erklärung des Festivals

von Imanuel Marcus  19.02.2025