In den 56 Jahren diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel hat sich in der Dynamik zwischen beiden Staaten und ihren vielfältigen Gesellschaften vieles verändert.
Verschwiegen meine Großeltern bei Israel-Besuchen in den frühen 60er-Jahren, dass sie als Schoa-Überlebende in Deutschland gestrandet waren, dem Land der Täter, sitze ich 2015, drei Generationen später, als Leiterin des neu gegründeten Deutsch Israelischen Freiwilligendienstes (DIFD) im Taxi in Tel Aviv und lasse mir vom Fahrer erklären, wie oft er schon in Berlin war und wie sehr er den Schwarzwald liebt. Ausgerechnet Deutschland.
tradition Aus Anlass von 50 Jahren deutsch-israelische Beziehungen war der Zentralwohlfahrtsstelle (ZWST) die Aufgabe zuteilgeworden, mit dem DIFD Freiwilligendienst an die lange Tradition der Austausch- und Freiwilligendienst-Programme anzuknüpfen sowie Israelis und Deutschen die Möglichkeit zu bieten, einen Freiwilligendienst im jeweiligen Partnerland zu absolvieren.
Zudem sollte durch die Koordination der ZWST jüdisches Leben in Deutschland in diesen Prozess aktiv eingebunden werden, das Programm aber zugleich offen für jüdische und nichtjüdische Freiwillige aus beiden Ländern sein.
Durch die Koordination der ZWST sollte jüdisches Leben in Deutschland in diesen Prozess aktiv eingebunden werden.
Seit seiner Gründung haben mehr als 100 Freiwillige an dem Programm teilgenommen. Sie absolvieren ihren Dienst in sozialen Einrichtungen, in Kindergärten, Schulen oder Altenzentren jüdischer Gemeinden, in Jugendbildungsstätten oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderung. Im Rahmen der pädagogischen Begleitung kamen die Freiwilligen zusammen, tauschten sich miteinander aus, reflektierten ihre Erfahrungen.
KOMPLEXITÄT In den Seminaren legten wir den Fokus auf Fragen wie: Wie erklärt man jüdischen und nichtjüdischen Israelis die Komplexität jüdischen Lebens in Deutschland heute? Wie kann das ins Verhältnis gesetzt werden zu der Erfahrung, als Minderheit in Israel aufzuwachsen? Welche multiplikatorische Rolle nehmen die Freiwilligen im Lauf ihres Dienstes ein? Was nehmen sie mit?
Je länger ich die Freiwilligen begleitete, desto klarer wurde mir, wie bereichernd es ist, die Komplexität dieses Verhältnisses nicht nur auf politischer, historischer und diplomatischer Ebene zu verhandeln, sondern eben auch auf ganz persönlicher, mit all seinen Widersprüchen und zwischen der Idealisierung und Dämonisierung, die eben auch in den Narrativen dieser Länder und den Biografien ihrer Gesellschaften fortwirken. Ausgerechnet Israel und ausgerechnet Deutschland.
Es hat sich vieles verändert. Und wir haben noch viel zu tun.
Die Autorin leitet das Referat Kommunikation und Digitalisierung bei der ZWST.