Islamische Theologie an deutschen Universitäten und Islamischer Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen sind Ausdruck von Pluralität und Gleichheit der Religionen in unserem Land. Deshalb ist es zu begrüßen, dass der Senat von Berlin an der Humboldt-Universität ein Institut für Islamische Theologie einrichtet.
Wie an den protestantischen und katholischen Fakultäten oder der Potsdamer School of Jewish Theology braucht es für Fragen der Lehrerlaubnis einen religiösen Partner. Da es in Deutschland praktisch nur islamische Verbände, zum Teil mit starker politischer Prägung aus dem Ausland, aber keine islamischen Religionsgemeinschaften gibt, übernimmt ein Beirat ersatzweise diese Rolle.
verfassung Mindestanforderungen für die Mitwirkung von Verbänden im Beirat sind die Achtung der Grundlagen der Verfassung und des Religionsverfassungsrechtes bei der Zusammenarbeit, ihre Zuverlässigkeit gegenüber dem Staat und ihre Autorität gegenüber ihren Mitgliedern sowie die theologische Begründung der Entscheidungen des Beirats.
Von Anfang an gab es erhebliche Bedenken gegen die Mitgliedschaft der Islamischen Gemeinschaft der Schiiten in Deutschland (IGS) im Institutsbeirat.
Von Anfang an gab es erhebliche Bedenken gegen die Mitgliedschaft der Islamischen Gemeinschaft der Schiiten in Deutschland (IGS) im Institutsbeirat. Deren wichtigstes Mitglied, das Islamische Zentrum Hamburg IZH, hat in der Vergangenheit maßgeblich die jährlichen antiisraelischen Al-Quds-Demonstrationen in Berlin zu verantworten gehabt.
Kenner der Szene sagen: Das IZH zieht die Strippen in der IGS. Der Leiter des IZH gilt laut Verfassungsschutz als Vertreter des »Revolutionsführers« der Islamischen Republik Iran in Deutschland und Europa. Die Aktivitäten sind darauf ausgerichtet, die islamische Lehre schiitisch-staatsiranischer Prägung bei uns zu verbreiten. Daher verwundert es nicht, dass die IGS sich nicht von den Al-Quds-Demonstrationen distanzieren will und für sich auch gar keine Autorität in solchen Fragen beansprucht.
warnungen Der Senat schlug alle Warnungen in den Wind. Da die türkische DITIB und die mystisch ausgerichteten Süleymancilar der VIKZ schon ausgefallen waren, drückte man bei der IGS alle Augen zu. Das erweist sich nun als schwerer Fehler.
Letzte Woche berichtete die »Jerusalem Post« über ein Video aus einer Münsteraner Moschee der IGS, dem Imam Mahdi Zentrum, bei dem ein Gedicht mit Parteinahme für die Aktivitäten der Hizb Allah und Treueschwüre zum iranischen Revolutionsführer zum Vortrag kommt. Darin heißt es: »We have been accused of being terrorists – we are proud of terrorism«. Ein Verband mit solchen Positionen soll über Lehrinhalte und -erlaubnisse an deutschen Hochschulen entscheiden? Das kann man doch im Ernst keinen Tag länger dulden.
Und die Münsteraner Moschee ist kein Einzelfall. Wer das neue Werk von Susanne Schröter, Leiter der Forschungsstelle Globaler Islam der Frankfurter Goethe-Universität, über den sogenannten politischen Islam zur Hand nimmt, findet über viele Seiten hinweg eine ganze Reihe von Mitgliedsgemeinden der IGS, die die Ideologie des iranischen Regimes und der Hisbollah verbreiten.
beirat Aber nicht nur die IGS ist in dem Beirat ein Problem. Aus dem Umfeld der Humboldt-Universität hört man, dass bei den aktuellen Berufungsverfahren für die Professuren des Instituts die Verbandsvertreter ihre Rolle nicht verstanden haben. So hat die Berufungskommission eine Person wegen ihrer Qualifikation ganz oben auf die Liste gesetzt, gegen die einige Verbandsvertreter – auch von Verbänden, die nicht einmal im Beirat sind – angeblich Sturm laufen.
Beim Zentralrat der Muslime ist zwischen Land und Bund demnach richtig Zoff. Vorbei an der Vertreterin seines Landesverbandes im Beirat soll Zentralratsvorsitzender Aiman Mazyek direkt interveniert haben. Grund für den Widerstand ist ein Persönlichkeitsmerkmal der Bewerberin, das in der islamischen Theologie unterschiedlich bewertet wird. Angesichts dieses Pluralismus lässt sich theologisch eine Ablehnung dieser Bewerberin eben gerade nicht begründen, und politisch-kulturelle Gründe oder diskriminierende Haltungen ohne theologische Basis haben in Berufungsverfahren nichts verloren.
Die Pressestelle des Zentralrats der Muslime hat trotz schriftlicher Anfrage die Schilderungen aus dem Umfeld der Universität nicht dementiert.
Die Pressestelle des Zentralrats der Muslime hat trotz schriftlicher Anfrage die Schilderungen aus dem Umfeld der Universität nicht dementiert. Die Senatspressestelle wollte sich zu einem laufenden Berufungsverfahren zwar grundsätzlich nicht äußern, wies in ihrer Antwort die Darstellung allerdings nicht zurück.
staat Der Münsteraner Theologe Scheliha hat erst jüngst gefordert, dass man die Auseinandersetzungen um islamische Lehrstühle stärker theologisieren müsste. Hier ist eine klare Haltung des Staates gegenüber den religiösen Akteuren gefordert, die dies durchsetzt. Die Verbände müssen lernen, Personen in die Gremien zu schicken, die mit Autorität für sie sprechen können, und verstehen, dass ihre Funktion eine rein-theologische ist.
Mit Verbänden, die offene Befürwortung von Terrorismus und Menschenrechtsverletzungen in ihren Reihen dulden, darf es keine Kooperation geben. Ein Lernprozess ist immer anstrengend, aber kann für die Gesellschaft auch zur Klärung führen und so ein Gewinn werden.
Es geht um ein respektvolles Miteinander – nicht mehr und nicht weniger.
Volker Beck ist Leo-Baeck-Preisträger des Zentralrats der Juden und Lehrbeauftragter des Centrums für Religionswissenschaftliche Studien CERES der Ruhr‐Universität Bochum.