Die Berichte der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) werfen alljährlich ein Schlaglicht auf den Zustand der Bundesrepublik. Denn grob lässt sich sagen: Je mehr Judenhass in einer Gesellschaft anzutreffen ist, desto undemokratischer, intoleranter und verrohter ist sie auch.
Die deutschlandweiten Zahlen für 2022, die der Bundesverband von RIAS am Dienstag vorgestellt hat, geben leider keine Entwarnung. 2480 antisemitische Vorfälle wurden registriert, darunter über 60 körperliche Angriffe.
Doch noch eine andere erschreckende Nachricht teilte RIAS-Vorstand Benjamin Steinitz bei der Vorstellung des Jahresberichts mit: Drei Landesverbänden seiner Organisation sollen die Mittel gekürzt werden, weiteren fehle die personelle Besetzung, um ihre Aufgaben an fünf Tagen in der Woche zu erfüllen.
Aufschrei Die Veröffentlichung von Antisemitismus-Statistiken ist normalerweise ein Anlass für die Politik, sich über den grassierenden Judenhass zu empören und die ganze Palette der Gegenmaßnahmen, von mehr Bildung über konsequentere Internet-Regulierung und Anwendung des Strafgesetzes, zu beschwören. Hoffentlich gibt es dieses Mal einen Aufschrei noch ganz anderer Art – nämlich über die skandalöse Unterfinanzierung von zivilgesellschaftlich notwendiger Arbeit.
RIAS wirkt mit seinen verschiedenen Aktivitäten an der Aufklärung unserer Gesellschaft mit.
RIAS füllt mit seinem Monitoring eine bedeutende Lücke: Anders als in der Statistik der Polizei werden dort auch Vorfälle unterhalb der justiziablen Schwelle erfasst. Nur so lässt sich ein adäquates Lagebild des antisemitischen Grundrauschens in diesem Land zeichnen und nur so kann gegen dieses mit gezielten Maßnahmen auch vorgegangen werden.
Außerdem ist RIAS häufig die erste Anlaufstelle für von Antisemitismus Betroffenen und erfüllt damit eine wichtige Beratungsfunktion. Auch der Beitrag der Organisation zur Informierung und Bildung der Öffentlichkeit ist beträchtlich. RIAS wirkt mit seinen verschiedenen Aktivitäten gleich auf mehreren Ebenen an der Aufklärung unserer Gesellschaft mit.
Fragen Steinitz sagte bei der Vorstellung des RIAS-Berichts provokant, dass sich manche Landesregierungen die Frage gefallen lassen müssten, »ob sie die Antisemitismusbekämpfung als Teilzeitaufgabe verstehen«.
Auch auf eine weitere Frage sollten die politischen Entscheidungsträger schnell eine Antwort finden: Wie wollen sie künftig gewährleisten, dass die Dunkelziffer antisemitischer Vorfälle in Deutschland nicht noch größer wird? Eines steht jedenfalls fest: Aufklärung verträgt sich nicht mit einem Sparkurs.
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