Es ist auffällig: Jedes Mal, wenn irgendwo in Deutschland ein Jude beleidigt, geschlagen, ein Hakenkreuz an einen Grabstein geschmiert oder eine prominente jüdische Persönlichkeit bedroht wird, geht ein Aufschrei der Empörung durch die Medien, bis hinein ins deutsche Parlament, wo die Politik sofort Flagge zeigt. Dann heißt es in der Presse, im Fernsehen, auf Facebook, bei Instagram und Twitter unisono: Aufstehen gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenhass!
Und jedes Mal frage ich mich: wieso wieder dieser schiefe, deutsche Dreiklang? Angepöbelt oder angegriffen wurden diese jüdischen Menschen nicht, weil sie weiß sind (das wäre Rassismus), nicht, weil sie Flüchtlinge wären (das wäre Fremdenhass), sondern ausschließlich, weil sie Juden sind, also Judenhass, reinster Antisemitismus, nichts anderes. Nur das!
»Deutsche Dreifaltigkeit« Warum wird aber bei allen Vorfällen die »deutsche Dreifaltigkeit« hervorgeholt? Antisemitismus, Rassismus, Fremdenhass. Es geht ums Relativieren, ein beliebter deutscher Brauch. Selbst beim Gehasstwerden gönnt man den Juden nicht die Exklusivität. Es ist den Deutschen über 70 Jahre nach dem Völkermord immer noch nicht gelungen, die Worte »Jude« und »Judenhass« singulär auszusprechen. Immer müssen sie in einen Kontext gestellt werden.
Ausgewogenheit muss sein, auch beim Hass.
Antisemitismus allein zu benennen und zu bekämpfen, genügt nicht, es müssen noch weitere Ismen hinzugefügt werden – Ausgewogenheit muss sein, auch beim Hass.
Wenn also wieder einmal irgendwo in deutschen Landen ein Kippaträger angegriffen oder eine Synagoge mit Hakenkreuzen beschmiert wird, hier ein paar zusätzliche Angebote: Aufstehen gegen Antisemitismus, Kommunismus und Hedonismus! Antisemitismus, Animismus und Autismus! Antisemitismus, Veganismus und Egoismus! Oder vielleicht so etwas: Gegen Antisemitismus, Feinstaub und Uploadfilter! Für Juden, artgerechte Tierhaltung und das bedingungslose Grundeinkommen!
Der Autor ist schweizerisch-deutscher Journalist, Regisseur und Schriftsteller (»Machloikes«).