Einspruch

Antisemitismus und Feinstaub

Michel Bergmann, Regisseur und Bestsellerautor Foto: Stephan Pramme

Es ist auffällig: Jedes Mal, wenn irgendwo in Deutschland ein Jude beleidigt, geschlagen, ein Hakenkreuz an einen Grabstein geschmiert oder eine prominente jüdische Persönlichkeit bedroht wird, geht ein Aufschrei der Empörung durch die Medien, bis hinein ins deutsche Parlament, wo die Politik sofort Flagge zeigt. Dann heißt es in der Presse, im Fernsehen, auf Facebook, bei Instagram und Twitter unisono: Aufstehen gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenhass!

Und jedes Mal frage ich mich: wieso wieder dieser schiefe, deutsche Dreiklang? Angepöbelt oder angegriffen wurden diese jüdischen Menschen nicht, weil sie weiß sind (das wäre Rassismus), nicht, weil sie Flüchtlinge wären (das wäre Fremdenhass), sondern ausschließlich, weil sie Juden sind, also Judenhass, reinster Antisemitismus, nichts anderes. Nur das!

»Deutsche Dreifaltigkeit« Warum wird aber bei allen Vorfällen die »deutsche Dreifaltigkeit« hervorgeholt? Antisemitismus, Rassismus, Fremdenhass. Es geht ums Relativieren, ein beliebter deutscher Brauch. Selbst beim Gehasstwerden gönnt man den Juden nicht die Exklusivität. Es ist den Deutschen über 70 Jahre nach dem Völkermord immer noch nicht gelungen, die Worte »Jude« und »Judenhass« singulär auszusprechen. Immer müssen sie in einen Kontext gestellt werden.

Ausgewogenheit muss sein, auch beim Hass.

Antisemitismus allein zu benennen und zu bekämpfen, genügt nicht, es müssen noch weitere Ismen hinzugefügt werden – Ausgewogenheit muss sein, auch beim Hass.

Wenn also wieder einmal irgendwo in deutschen Landen ein Kippaträger angegriffen oder eine Synagoge mit Hakenkreuzen beschmiert wird, hier ein paar zusätzliche Angebote: Aufstehen gegen Antisemitismus, Kommunismus und Hedonismus! Antisemitismus, Animismus und Autismus! Antisemitismus, Veganismus und Egoismus! Oder vielleicht so etwas: Gegen Antisemitismus, Feinstaub und Uploadfilter! Für Juden, artgerechte Tierhaltung und das bedingungslose Grundeinkommen!

Der Autor ist schweizerisch-deutscher Journalist, Regisseur und Schriftsteller (»Machloikes«).

Meinung

Die Flucht der arabischen Juden

Einst lebten viele Juden in der muslimischen Welt. Es ist wichtig, an ihre persönlichen Geschichten von Exil und Mut zu erinnern

von Tair Haim  27.11.2025

Meinung

Die polnische Krankheit

Der Streit um einen Tweet der israelischen Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem zeigt, dass Polen noch immer unfähig ist, sich ehrlich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen

von Jan Grabowski  26.11.2025

Meinung

Ein Friedensplan, der keiner ist?

Die von den Amerikanern vorgelegten Punkte zur Beendigung des Ukraine-Kriegs sind kein fairer Vorschlag, sondern eine Belohnung für den russischen Aggressor

von Alexander Friedman  24.11.2025

Meinung

Der Weg zum Frieden in Nahost führt über Riad

Donald Trump sieht in Saudi-Arabien zunehmend einen privilegierten Partner der USA. Die Israelis müssen gemäß dieser neuen Realität handeln, wenn sie ein Abkommen mit dem mächtigen Ölstaat schließen wollen

von Joshua Schultheis  24.11.2025

Existenzrecht Israels

Objektive Strafbarkeitslücke

Nicht die Gerichte dafür schelten, dass der Gesetzgeber seine Hausaufgaben nicht macht. Ein Kommentar

von Volker Beck  23.11.2025

Kommentar

Wenn Versöhnung zu Heuchelei wird

Jenaer Professoren wollen die Zusammenarbeit ihrer Universität mit israelischen Partnern prüfen lassen. Unter ihnen ist ausgerechnet ein evangelischer Theologe, der zum Thema Versöhnung lehrt

von Tobias Kühn  21.11.2025

Kommentar

Martin Hikel, Neukölln und die Kapitulation der Berliner SPD vor dem antisemitischen Zeitgeist

Der bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Meinung

Alles muss ans Licht

Eine unabhängige Untersuchungskommission über die Terroranschläge des 7. Oktober ist ein Akt von Pikuach Nefesch

von Sabine Brandes  21.11.2025

Jan Feldmann

Eine Revolution namens Schabbat

Wir alle brauchen einen Schabbat. Selbst dann, wenn wir nicht religiös sind

von Jan Feldmann  19.11.2025