In den vergangenen 16 Monaten wurden deutsche Hochschulen zu Brennpunkten des Antisemitismus. Sie dienten israelfeindlichen Aktivisten als Plattformen, um die Grenzen der Wissenschaftsfreiheit zu strapazieren und die – vermeintliche – Hilflosigkeit der Hochschulleitungen auszunutzen. So wurden sie zu Schauplätzen von Einschüchterung und physischer Gewalt.
Am Mittwoch verabschiedete der Bundestag die Resolution »Antisemitismus und Israelfeindlichkeit an Schulen und Hochschulen entschlossen entgegentreten sowie den freien Diskursraum sichern«. Kann diese Resolution Protestcamps, Besetzungen, Sachbeschädigungen, Gewalt, Terrorverherrlichung und antisemitischen Parolen tatsächlich entgegenwirken?
Der fraktionsübergreifende Antrag von SPD, CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen ist ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung des Antisemitismus in Bildungseinrichtungen. Neben der Stärkung der Antisemitismus- und jüdischen Gegenwartsforschung fordert die Resolution härtere Sanktionen für antisemitische Vorfälle und eine engere Zusammenarbeit von Hochschulen und Sicherheitsbehörden. Besonders begrüßenswert ist die Unterstützung der IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus und die klare Positionierung gegen die gegen Israel gerichtete Boykott-Bewegung BDS. Doch ihre Wirksamkeit hängt davon ab, ob diese Maßnahmen konsequent umgesetzt werden – oder ob es bei Absichtserklärungen bleibt.
Bis die Betroffenen auf ihrem Campus tatsächlich Schutz und Rückhalt spüren, wird noch viel Zeit vergehen.
Besonders die Stärkung der Forschung ist nach der Flut an Falschinformationen und Propaganda seit dem 7. Oktober 2023 essenziell. Es stimmt, dass sich Antisemitismus gewandelt hat und strafrechtlich neu bewertet werden muss. Doch für Verantwortliche ist diese »neue« Form des Judenhasses oft nur einer von vielen Vorwänden, nicht gegen diesen einzuschreiten. So hat der Antisemitismus an den Hochschulen weiter einen Platz.
Ob diese Resolution daran kurzfristig etwas ändert, ist fraglich – langfristig könnte sie zumindest eine entschlossenere Haltung fördern. Mehr Hoffnung gibt die klare Forderung, dass Bund und Länder konsequenter gegen antisemitisches Verhalten vorgehen sollen. Zu lange haben sich die Verantwortlichen auf einer falsch verstandenen Hochschul- und Wissenschaftsfreiheit ausgeruht.
Die Resolution setzt ein wichtiges politisches Signal. Doch sie verdeutlicht auch, dass der Schutz jüdischer und israelischer Studierender nicht oberste Priorität hat. Es spricht für sich, wie viel Zeit es in Anspruch genommen hat, sich auf einen gemeinsamen Antrag zu einigen. Bis die Betroffenen auf ihrem Campus tatsächlich Schutz und Rückhalt spüren, wird noch viel Zeit vergehen – im besten Fall kostet es sie nur Nerven, im schlimmsten Fall noch mehr.
Die Autorin ist ehemalige Präsidentin des Jüdischen Studierendenverbands Nordrhein-Westfalen (JSV NRW).