Claudia Roth (Grüne) hat die Zeichen der Zeit erkannt. »Wir müssen uns dringend darüber verständigen, wie das Humboldt Forum zu einem Ort der Weltoffenheit werden kann«, hatte die Kulturstaatsministerin in der vergangenen Woche dem »Tagesspiegel« gesagt. Bislang hieß es beim Humboldt Forum, Kuppel, Kreuz und Inschrift seien »im Kontext ihrer historischen Entstehungssituation« zu verstehen.
Doch in Anbetracht der Symbolik des neuen Museums und seiner Fokussierung auf den Kolonialismus scheint mir diese einen christlichen Herrschaftsanspruch markierende Inschrift die absolut falsche Wahl zu sein. In gewisser Weise wäre es so, als würde man eine Flagge der Konföderierten auf dem Kapitol in Washington anbringen.
EINWANDERUNGSLAND Es ist höchste Zeit, das Potenzial für eine völlig neue Aussage an der Spitze des Universalmuseums zu erkennen. Eine, die den offiziellen Status Deutschlands als Einwanderungsland und Land der vielen Religionen (und Atheisten) umfasst. Und seine Identität als ein Land, das sich mit den dunkelsten Kapiteln seiner jüngsten Geschichte auseinandersetzt.
Andernfalls wird man in 100 Jahren an dieser Stelle eine Tafel anbringen müssen, um zu erklären, wie zögerlich die Menschen 2022 waren, den multikulturellen Status ihrer Gesellschaft zu akzeptieren. Nicht unähnlich den Tafeln, die man heute sieht, um die »Judensau« und antisemitische Zitate zu erklären, die man an Kirchen des Mittelalters findet.
In gewisser Weise wäre es so, als würde man eine Flagge der Konföderierten auf dem Kapitol in Washington anbringen.
Anstatt auf diesen Tag zu warten, sollte man sich lieber mit den Rabbinern, christlichen Geistlichen und Imamen beraten, die an Berlins »House of One«, einem multireligiösen Ort des Lernens nicht weit vom Humboldt Forum, beteiligt sind.
INSPIRATION Oder man lässt sich von den Worten der Dichterin Emma Lazarus auf der New Yorker Freiheitsstatue inspirieren: »Behalte, altes Land, deinen geschichtsträchtigen Prunk! Gebt mir eure Müden, eure Armen, eure geknechteten Massen, die sich danach sehnen, frei zu atmen.«
Oder von Menschen am Berliner Hauptbahnhof, die Flüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen. »Hier findet ihr Schutz.« Wie wäre es damit?
Die Autorin ist freie Journalistin und lebt in Berlin.