Ich kann nicht zählen, wie oft in meinem Leben ich schon auf dem Ben-Gurion-Flughafen angekommen bin, um meine Familie in Israel zu besuchen. Auf dem Rollfeld in Tel Aviv lag ich allerdings noch nie. Doch dieses Mal – als berichterstattende Journalistin beim Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in Israel – war alles anders.
Kurz vor dem Abflug der deutschen Regierungsmaschine: Raketenalarm. »Raus aus dem Flugzeug! Alle auf den Boden!«, hieß es. Und schon lag ich auf dem Beton, der noch die Wärme eines israelischen Herbsttages abgab, an meinen Körper, der sich an den Boden schmiegte. Es war schon dunkel, und über uns knallte es ohrenbetäubend laut. Der israelische »Iron Dome« hatte zwei Raketen der Terrororganisation Hamas abgeschossen. Die meisten meiner Kollegen blieben cool – oder taten zumindest so. Ich hingegen muss zugeben: Ich habe geheult.
Nicht nur aus Angst – obwohl es keine Todesangst war. Auf den Iron Dome ist – meistens – Verlass. Nein, ich musste in diesem Moment an die Hatikwa denken, die israelische Nationalhmyne: »Ein freies Volk zu sein in unserem Lande.« Und jetzt das? Auf dem Boden liegend, in Deckung vor Geschossen von Terroristen? In diesem Land, das ein sicherer Hafen für Juden aus aller Welt sein sollte, unsere Zuflucht in der Not?
Was ist aus dem jüdischen Staat geworden, der seine Bürgerinnen und Bürger beschützen wollte, aber am 7. Oktober das schlimmste Massaker in seiner Geschichte erleben musste, mit mehr als 1400 ermordeten Menschen, darunter grausam hingemetzelte Frauen, Kinder, Babys?
Bei der Fahrt in der Kolonne von Olaf Scholz durch Tel Aviv waren die Straßen menschenleer. Auf dem Weg nach Kairo stoppten wir am Dizengoff-Platz, meinem Lieblingsort in Tel Aviv. Ein Meer von Kerzen leuchtete an den Rändern des Platzes in Erinnerung an die Opfer. Auch Scholz hat eine Kerze angezündet. Mein Herz war schwer an diesem Abend. Schwer wie seit dem Morgen des 7. Oktober.
Ich hoffe, dass dieser schreckliche Krieg bald vorbei ist. Dass die Hamas besiegt wird. Aber auch, dass jenes Israel, das ich kannte, nicht verloren ist. Dass die Politiker, die ihre Bürger nicht beschützen konnten, Verantwortung übernehmen und Konsequenzen ziehen.
Dass es bald eine bessere Regierung in Jerusalem geben wird, die ihr Volk eint statt spaltet. Dass die Pendeldiplomatie von Olaf Scholz, US-Präsident Joe Biden und die Bemühungen vieler anderer Politiker nicht ganz umsonst sind.
Und dass ich in nicht allzu ferner Zukunft wieder am Ben-Gurion-Flughafen landen, mich ins Empfangsterminal begeben und auf meine Familie in Israel freuen kann, ohne Angst zu haben, wieder Sirenenalarm zu hören und mich auf den Boden werfen zu müssen.