Kommentar

AfD-Parteitag: Schreckliche Normalität

Von zwei lieb gewonnenen Annahmen über die AfD müssen wir uns verabschieden. Erstens: Diejenigen, die ihre Stimme der Rechtsaußen-Partei geben, tun dies längst nicht mehr nur aus Protest. Die Meinungsforschung zeigt, dass etwa zwei Drittel der AfD-Wähler Überzeugungstäter sind. Sie begeistern sich für die Inhalte einer Partei, die mittlerweile von Rechtsextremen dominiert wird.

Die AfD hat eine stabile Wählerbasis, die ihr so schnell nicht wieder streitig gemacht werden kann.

Zweitens: Die AfD ist nicht mehr die Chaospartei, die sie lange Zeit gewesen ist. Auf ihrem Treffen in Essen hat sie die Zeiten, in denen Vorsitzende mit Schimpf und Schande vom Parteitag gejagt wurden, vorerst hinter sich gelassen. Die internen Konflikte wurden im Voraus hinter den Kulissen ausgetragen.

In der Essener Grugahalle konnte man sich dann ganz einträchtig geben: Die beiden wiedergewählten Parteivorsitzenden nannten sich »mein geliebter Tino« und »meine geliebte Co-Sprecherin«.

Lesen Sie auch

Bei so viel ostentativer Harmonie kann es einen schon mal gruseln. Vor allem darf man sich von ihr aber über eines nicht hinwegtäuschen lassen: Die AfD mag sich zwar professionalisiert haben, weniger radikal ist sie keineswegs geworden.

So wünschte sich Alice Weidel in ihrer Parteitagsrede »ein zweites 1989« für Deutschland. Die BRD als ein System, das wie die DDR-Diktatur abgeschafft gehört? Das AfD-Vorstandsmitglied Stephan Brandner forderte die Bürger auf, »Stimmzettel zu Haftbefehlen« zu machen. Politische Gegner ins Gefängnis werfen? Mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit hat das nichts zu tun.

Wer bisher hoffte, die AfD würde sich irgendwann selbst zerlegen oder man könne eine große Mehrheit ihrer Wähler für die Demokratie zurückgewinnen, muss dringend umdenken. In Deutschland ist die Präsenz einer etablierten rechtsextremen Partei zur schrecklichen Normalität geworden.

Diese Einsicht muss künftig Grundlage für den Umgang mit der AfD sein. Denn für diesen braucht es jetzt dringend neue Rezepte.

schultheis@juedische-allgemeine.de

Kommentar

Es braucht endlich ein Restitutionsgesetz!

Die Bundesregierung lässt bei der Rückgabe von NS-Raubgut Durchsetzungskraft vermissen, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  03.07.2024

Meinung

Unsoziale Streichungen

Die Integrationsbeauftragte stellt die Maßnahmen zum Empowerment von Frauen, Kindern und vulnerablen Geflüchteten ein – eine Entscheidung, die Unverständnis hervorruft

von Günter Jek  01.07.2024

Kommentar zur Wahl in Frankreich

Biedermacron und die Brandstifter

Mit der Ausrufung vorgezogener Neuwahlen hat Emmanuel Macron seinem Land und der EU einen Bärendienst erwiesen

von Michael Thaidigsmann  01.07.2024

Meinung

Juden sind der Hertie School keine Silbe wert

Bei der Abschlussfeier der Hertie School of Government wurde der palästinensischen Opfer im Gazastreifen gedacht

von Michael Wolffsohn  30.06.2024

Gastbeitrag

Kunsthaus Zürich muss Herkunft von NS-Raubkunst erforschen

Der Bericht zur Sammlung Bührle ist eine Ansage, so Jonathan Kreutner

von Jonathan Kreutner  28.06.2024

Meinung

Die Verantwortung der Öffentlich-Rechtlichen

Der ÖRR sollte nicht die Existenzberechtigung von Juden und Israel canceln

von Jacques Abramowicz  27.06.2024

Léonardo Kahn

Der Schutzraum in Frankreich verkommt

Das Nachbarland ist ein Sehnsuchtsort vieler Juden. Aber es wimmelt auch von Antisemiten

von Léonardo Kahn  25.06.2024

Alon Meyer

Juden werden wieder vom Sport ausgeschlossen – mitten in Europa

Wir sind gerade dabei, unsere Freiheit und unsere Werte zu opfern

 24.06.2024

Mascha Malburg

Holt euch eure Unis zurück!

Zwei Drittel der Protestler an den Berliner Universitäten studieren gar nicht dort. Trotzdem bestimmen sie das öffentliche Bild jener Institute. Zeit, dass die Mehrheit den Diskurs übernimmt

von Mascha Malburg  19.06.2024