Während der Europameisterschaft haben sich viele Menschen in Deutschland über das pinke DFB-Trikot von Adidas gefreut, das für Diversität, Toleranz und Respekt steht. Doch im Nachhinein wirkt dies leider wieder nur wie hohle Symbolpolitik. Denn der Konzern lässt eine klare Linie gegenüber Israelhassern wie Bella Hadid vermissen.
Das Model mit palästinensischen Wurzeln ist bekannt für wiederholte Verbreitung von anti-israelischen und antisemitischen Inhalten auf ihren Social-Media-Kanälen. Dennoch wurde Hadid vom Weltkonzern für eine neue Werbekampagne ausgewählt. Alles im Namen von Diversity und Toleranz. Als Präsident von Makkabi Deutschland bin ich entsetzt über diese Entscheidung.
Die Wahl Hadids ist pietätlos
Adidas hat einen Sneaker neu aufgelegt, der für die Olympischen Spiele 1972 entwickelt worden war, auf der elf israelische Teilnehmer von palästinensischen Terroristen ermordet wurden. Angesichts der historischen Bedeutung des beworbenen Sneakers ist die Wahl Hadids pietätlos und respektlos gegenüber den Opfern, ihren Familien und jedem jüdischen Sportler und Demokraten.
Der Vorgang ruft schmerzhafte Erinnerungen an das Versagen während der Olympischen Spiele 1972 in München hervor.
Auch wenn der Konzern nach Kritik seine Kampagne ändern will, ruft dieser Vorgang schmerzhafte Erinnerungen an das Versagen während der Olympischen Spiele 1972 in München hervor, als der deutsche Staat nicht in der Lage war, jüdische Athleten zu schützen.
Bei jedem Makkabi-Event gedenken wir der Opfer von 1972. In drei Tagen, beim Frankfurter Precamp zur Vorbereitung auf die European Maccabi Youth Games 2024 in London, werden wir dies erneut tun. Makkabi Deutschland setzt sich seit Jahren für die Aufarbeitung der Ereignisse und die Entschädigung der Hinterbliebenen ein.
Adidas hat zu wenig verstanden
Die nun erfolgte Entschuldigung eines Adidas Pressesprechers lautet: »Wir sind uns bewusst, dass Verbindungen zu tragischen historischen Ereignissen hergestellt wurden – auch wenn diese völlig unbeabsichtigt sind – und wir entschuldigen uns für jegliche Verärgerung oder Leid, die dadurch verursacht wurden. Aus diesem Grund überarbeiten wir die Kampagne.«
Hier muss man sich die Wortwahl genau angucken: Wer von »tragischen historischen Ereignissen« spricht, findet sich schon aus geschichtssensibler Perspektive auf einem Irrweg. Es geht weder um »Tragik« noch um eine »Katastrophe«, wie das Olympia-Attentat häufig genannt wird - Ein Begriff, der die Verantwortlichkeit der Akteure nivelliert. Wer das Attentat nicht präzise benennt - es geht um eliminatorischen Antisemitismus, um Staatsversagen, um fehlende Aufarbeitung von Staat und auch Konzernen wie Adidas -, der hat zu wenig verstanden.
Postnazistische Kontinuitäten bei Adidas
Doch nicht nur Olympia 1972 spielt bei diesem Skandal eine Rolle. Adidas trägt postnazistische Kontinuitäten in sich: Der Gründer Adolf Dassler wurde zu Beginn des Zweiten Weltkriegs zur Wehrmacht eingezogen und produzierte später in seiner Fabrik Panzerschreck-Waffen unter Einsatz französischer Zwangsarbeiter unter entwürdigenden Bedingungen.
Die erneute Kontroverse zeigt, dass das Unternehmen offensichtlich wenig aus vergangenen Fehlern gelernt hat.
Außerdem hat Adidas bereits in der Vergangenheit wegen der Zusammenarbeit mit Personen, die antisemitische Ansichten vertreten, berechtigte Kritik erfahren müssen. Der Fall Kanye West, der mit antisemitischen Äußerungen und Verschwörungstheorien auffiel, führte letztlich zur Beendigung der Kooperation mit Adidas.
Die erneute Kontroverse zeigt, dass das Unternehmen offensichtlich wenig aus vergangenen Fehlern gelernt hat. Ich sage nicht, dass Adidas ein geschlossenes antisemitisches Weltbild vertritt. Was der Konzern sich aber vorwerfen lassen muss: Er schafft einen Resonanzraum und eine offene Flanke für Antisemitismus.
Adidas sollte Shaul Ladany anfragen
Ja, auch Schuhe sind in der modernen Gesellschaft politisch. Wir werden genau hinschauen, wie die Kampagne geändert wird, und schlagen Adidas vor, neben der Änderung der Kampagne, unsere antisemitismuskritischen Seminare im Rahmen unseres Bildungsprogramms »Zusammen1« für ihre Mitarbeiter anzubieten oder unsere Trikots für die deutsch-jüdische Nationalauswahl zur Maccabiah 2025 in Israel zu sponsern.
Zudem legen wir dem Konzern nahe, den Makkabäer und Überlebenden des Olympiaattentats sowie Holocaustüberlebenden Shaul Ladany als Partner für die überarbeitete Kampagne anzufragen. Das wäre ein wahres Zeichen und keine leeren Worte zu »Diversität« und »Respekt«, sondern eine ernsthafte Auseinandersetzung.
Ich spreche bewusst von »Auseinandersetzung«, denn angesichts der Firmengeschichte und der NS-Kontinuitäten sowie des erneuten Antisemitismus-Skandals kann es keine »Wiedergutmachung« mehr geben.
Der Autor ist Präsident von Makkabi Deutschland.