Alon Meyer

Adidas schafft einen Resonanzraum für Antisemitismus

Der Präsident von Makkabi Deutschland ist schockiert über die Kooperation

von Alon Meyer  22.07.2024 14:51 Uhr

Der Präsident von Makkabi Deutschland, Alon Meyer Foto: picture alliance / Presse- und Wirtschaftsdienst

Der Präsident von Makkabi Deutschland ist schockiert über die Kooperation

von Alon Meyer  22.07.2024 14:51 Uhr

Während der Europameisterschaft haben sich viele Menschen in Deutschland über das pinke DFB-Trikot von Adidas gefreut, das für Diversität, Toleranz und Respekt steht. Doch im Nachhinein wirkt dies leider wieder nur wie hohle Symbolpolitik. Denn der Konzern lässt eine klare Linie gegenüber Israelhassern wie Bella Hadid vermissen.

Das Model mit palästinensischen Wurzeln ist bekannt für wiederholte Verbreitung von anti-israelischen und antisemitischen Inhalten auf ihren Social-Media-Kanälen. Dennoch wurde Hadid vom Weltkonzern für eine neue Werbekampagne ausgewählt. Alles im Namen von Diversity und Toleranz. Als Präsident von Makkabi Deutschland bin ich entsetzt über diese Entscheidung.

Die Wahl Hadids ist pietätlos

Adidas hat einen Sneaker neu aufgelegt, der für die Olympischen Spiele 1972 entwickelt worden war, auf der elf israelische Teilnehmer von palästinensischen Terroristen ermordet wurden. Angesichts der historischen Bedeutung des beworbenen Sneakers ist die Wahl Hadids pietätlos und respektlos gegenüber den Opfern, ihren Familien und jedem jüdischen Sportler und Demokraten.

Der Vorgang ruft schmerzhafte Erinnerungen an das Versagen während der Olympischen Spiele 1972 in München hervor.

Auch wenn der Konzern nach Kritik seine Kampagne ändern will, ruft dieser Vorgang schmerzhafte Erinnerungen an das Versagen während der Olympischen Spiele 1972 in München hervor, als der deutsche Staat nicht in der Lage war, jüdische Athleten zu schützen.

Bei jedem Makkabi-Event gedenken wir der Opfer von 1972. In drei Tagen, beim Frankfurter Precamp zur Vorbereitung auf die European Maccabi Youth Games 2024 in London, werden wir dies erneut tun. Makkabi Deutschland setzt sich seit Jahren für die Aufarbeitung der Ereignisse und die Entschädigung der Hinterbliebenen ein.

Adidas hat zu wenig verstanden

Die nun erfolgte Entschuldigung eines Adidas Pressesprechers lautet: »Wir sind uns bewusst, dass Verbindungen zu tragischen historischen Ereignissen hergestellt wurden – auch wenn diese völlig unbeabsichtigt sind – und wir entschuldigen uns für jegliche Verärgerung oder Leid, die dadurch verursacht wurden. Aus diesem Grund überarbeiten wir die Kampagne.«

Hier muss man sich die Wortwahl genau angucken: Wer von »tragischen historischen Ereignissen« spricht, findet sich schon aus geschichtssensibler Perspektive auf einem Irrweg. Es geht weder um »Tragik« noch um eine »Katastrophe«, wie das Olympia-Attentat häufig genannt wird - Ein Begriff, der die Verantwortlichkeit der Akteure nivelliert. Wer das Attentat nicht präzise benennt - es geht um eliminatorischen Antisemitismus, um Staatsversagen, um fehlende Aufarbeitung von Staat und auch Konzernen wie Adidas -, der hat zu wenig verstanden.

Postnazistische Kontinuitäten bei Adidas

Doch nicht nur Olympia 1972 spielt bei diesem Skandal eine Rolle. Adidas trägt postnazistische Kontinuitäten in sich: Der Gründer Adolf Dassler wurde zu Beginn des Zweiten Weltkriegs zur Wehrmacht eingezogen und produzierte später in seiner Fabrik Panzerschreck-Waffen unter Einsatz französischer Zwangsarbeiter unter entwürdigenden Bedingungen.

Die erneute Kontroverse zeigt, dass das Unternehmen offensichtlich wenig aus vergangenen Fehlern gelernt hat.

Außerdem hat Adidas bereits in der Vergangenheit wegen der Zusammenarbeit mit Personen, die antisemitische Ansichten vertreten, berechtigte Kritik erfahren müssen. Der Fall Kanye West, der mit antisemitischen Äußerungen und Verschwörungstheorien auffiel, führte letztlich zur Beendigung der Kooperation mit Adidas.

Die erneute Kontroverse zeigt, dass das Unternehmen offensichtlich wenig aus vergangenen Fehlern gelernt hat. Ich sage nicht, dass Adidas ein geschlossenes antisemitisches Weltbild vertritt. Was der Konzern sich aber vorwerfen lassen muss: Er schafft einen Resonanzraum und eine offene Flanke für Antisemitismus.

Adidas sollte Shaul Ladany anfragen

Ja, auch Schuhe sind in der modernen Gesellschaft politisch. Wir werden genau hinschauen, wie die Kampagne geändert wird, und schlagen Adidas vor, neben der Änderung der Kampagne, unsere antisemitismuskritischen Seminare im Rahmen unseres Bildungsprogramms »Zusammen1« für ihre Mitarbeiter anzubieten oder unsere Trikots für die deutsch-jüdische Nationalauswahl zur Maccabiah 2025 in Israel zu sponsern.

Zudem legen wir dem Konzern nahe, den Makkabäer und Überlebenden des Olympiaattentats sowie Holocaustüberlebenden Shaul Ladany als Partner für die überarbeitete Kampagne anzufragen. Das wäre ein wahres Zeichen und keine leeren Worte zu »Diversität« und »Respekt«, sondern eine ernsthafte Auseinandersetzung.

Ich spreche bewusst von »Auseinandersetzung«, denn angesichts der Firmengeschichte und der NS-Kontinuitäten sowie des erneuten Antisemitismus-Skandals kann es keine »Wiedergutmachung« mehr geben.

Der Autor ist Präsident von Makkabi Deutschland.

Berlinale

Auseinandergerissen

Sternstunde des Kinos: Eine Doku widmet sich David Cunio, der am 7. Oktober 2023 nach Gaza entführt wurde, und seinem Zwillingsbruder Eitan, der in Israel auf ihn wartet

von Ayala Goldmann, Katrin Richter  19.02.2025

Berlin

»Sind enttäuscht« - Berlinale äußert sich zu Antisemitismus-Skandal

»Beiträge, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, überschreiten in Deutschland und auf der Berlinale eine rote Linie«, heißt es in einer Erklärung des Festivals

von Imanuel Marcus  19.02.2025

Glosse

Ein Hoch auf die Israelkritik

Der »Spiegel« hat mit dem indischen Essayisten Pankaj Mishra ein »erhellendes« Interview zum Nahostkonflikt geführt

von Michael Thaidigsmann  18.02.2025

Gaza

Erstes Lebenszeichen von David Cunio

Der 34-Jährige Israeli ist seit dem 7. Oktober 2023 Geisel der Hamas – bei der Berlinale wird an an den Schauspieler erinnert

 18.02.2025

Berlinale

Polizei ermittelt nach Antisemitismus-Skandal

Der Regisseur Jun Li hatte einen Brief des Schauspielers Erfan Shekarriz vorgelesen, der zur Vernichtung Israels aufruft

 17.02.2025 Aktualisiert

Lesen!

»Oh, ihr Menschenbrüder«

In seiner kurzen Erzählung verknüpft der französische Schriftsteller Albert Cohen die Dreyfus-Affäre mit der Schoa

von Ralf Balke  17.02.2025

Kulturkolumne

Meine Verwandten, die Trump-Wähler

Warum Hollywood endlich das Leben meiner Tanten und Onkel verfilmen muss

von Eugen El  17.02.2025

Gespräch

Andrea Sawatzki und Christian Berkel: Schweigen gefährdet Beziehungen

Andrea Sawatzki und Christian Berkel sind feste Größen in der hiesigen Film- und Fernseh-Branche - und seit über 25 Jahren ein Paar. Auch gemeinsam stehen sie vor der Kamera, etwa im neuen TV-Drama »Querschuss«

von Katharina Zeckau  17.02.2025

Berlin

Neuer Antisemitismus-Vorfall bei Berlinale

Die verbotene Terror-Parole »From the river to the sea ...« erntet sogar Beifall

 17.02.2025