Seit einem Dreivierteljahr ist der Norweger Bjørn Gulden CEO von Adidas. Ob er seitdem Gelegenheit hatte, das Archiv des Sportartikelherstellers in Herzogenaurach zu besuchen? Dort wäre er auf ein dunkles Kapitel in der Unternehmensgeschichte gestoßen: Die »Gebrüder Dassler Schuhfabrik«, Vorläufer von Adidas, stellte in der Zeit des Nationalsozialismus Spezialschuhe und sogar Panzerfäuste für die Wehrmacht her – auch unter Einsatz von Zwangsarbeitern.
Vor diesem Hintergrund ist es umso befremdlicher, dass Gulden unlängst den Hitler-Verehrer Kanye West in Schutz nahm. »Er hat ein paar Aussagen gemacht, die nicht sehr gut waren«, verharmloste Gulden den Antisemitismus des US-Musikers in einem Manager-Podcast. Kanye West habe das alles nicht so gemeint, glaubt der Adidas-Chef. Eine irritierende Sichtweise angesichts der langen Liste judenfeindlicher Ausfälle Wests.
hakenkreuz Zwei Beispiele: Ende vergangenen Jahres sagte der Rapper, es gebe viel, das er »an Hitler liebe«, und die Nazis hätten »auch gute Dinge getan«. Nur kurz danach postete West auf Twitter, heute »X«, ein Hakenkreuz, das mit einem Davidstern verwoben war. Eine implizite Gleichsetzung von Judentum und Nationalsozialismus.
Warum Gulden eine solche Person verteidigt, ist leicht zu durchschauen: Die Kooperation mit West brachte Adidas jährlich zwei Milliarden Dollar ein.
Warum Gulden eine solche Person verteidigt, ist leicht zu durchschauen: Die Kooperation mit West brachte Adidas jährlich zwei Milliarden Dollar ein. Die Produktreihe »Yeezy« machte zehn Prozent des Gesamtumsatzes des Unternehmens aus. Als Adidas vergangenen Oktober den Vertrag mit West wegen dessen antisemitischer Aussagen kündigte, bedeutete dies herbe Einkommenseinbußen. Wollte Gulden also einmal austesten, ob eine Rückkehr des ehemaligen Goldesels zumindest denkbar ist?
Nach öffentlicher Empörung ruderte der Adidas-Chef nun zurück – und entschuldigte sich für seine Worte. Hoffentlich bleibt es dabei. Die Zusammenarbeit mit einem Antisemiten steht keinem Unternehmen gut zu Gesicht. Schon gar nicht einer Firma, die Hitlers Vernichtungskrieg mit ermöglichte und von diesem profitierte.
Der Autor ist Journalist und lebt in Berlin.