Wenn man mich fragt, ob Künstler auf Bühnen ihre politische Meinung sagen sollen, bin ich versucht, mit »Nur, wenn es die richtige ist!« zu antworten. Aber – logisch – das ist natürlich Humbug. Und: Wo bleibt die Kunst dann? Genau dort! Kunst entsteht, wenn es halbwegs sinnvolle Kunst sein soll, aus dem Aufschrei, aus einer Verneinung. Und warum sollte nur bei Kabarettisten erlaubt sein, dass sie ihre Meinung – oft nicht viel weniger blöde als kürzlich Nenas – unter die Leute bringen?
Ich möchte auch für mich verlangen können, dass ich das sage, was mir auf den Nägeln brennt, in meinen Liedern, in meinen Büchern, wenn ich auf eine Bühne gebeten werde. Ich glaube nicht, dass Kunst im unpolitischen Raum entstehen kann, entstehen sollte. Wenn sie es tut, verfällt für mich fast immer der Kunstanspruch.
geistesfunzeln Zugleich bin ich natürlich auch empört und genervt, wenn Geistesfunzeln wie Nena, Roger Waters, Brian Eno und einige andere den gemeinsten, unsinnigsten Schwachsinn von sich geben. Und ich bin verletzt, wenn deren Fans ihnen dann trotzdem zujubeln.
Ich glaube nicht, dass Kunst im unpolitischen Raum entstehen kann, entstehen sollte. Wenn sie es tut, verfällt für mich fast immer der Kunstanspruch.
Aber man hat hierzulande ohnehin die Neigung, prominente Persönlichkeiten ungeachtet ihrer politologischen oder historischen Wissensbasis im Feuilleton wegen ihrer politischen Äußerungen zu bejubeln, wieso also gibt es bei Nena, die doch auch eine stehende Größe im deutschen Kulturleben ist, einen Aufschrei?
mainstream Nur deshalb: Weil sie nicht sagt, was man hören will. Nur deshalb gibt es diesen Aufschrei bei Grass, Walser, Butler, Chomsky, Böhm und anderen nicht. Die bleiben in der Mainstream-Meinung. Hätte Nena nicht über Masken und so gelabert, sondern Israel verdammt, wäre es nicht durch alle Gazetten gegangen. Ich fand Nena (wie Xavier Naidoo, wie Robbie Williams, wie Sido, wie Düringer und einige weitere) schon immer intellektuell, sagen wir: vernachlässigt – aber auch die »99 Luftballons« hatten eine Art politischen Anspruch.
Und jetzt, wo sie sich entlarvt, soll sie nicht? Das ist nur verletzte Liebe zu einem hübschen Mäuschen. Aber Künstler müssen politisch sein dürfen in meinen Augen: Sie müssen. Auch und sogar, wenn es eine »falsche« Meinung ist. Man wendet sich ab, und fertig.
Die Autorin ist Musikerin, Publizistin und Schauspielerin.