Nach dem Spiel ist vor dem Spiel – so lautet eine berühmte Weisheit auf dem Rasen. Seit 18 Monaten befinden wir uns aber in Museen, auf Konzertbühnen oder an anderen Veranstaltungsorten, wo es um jüdische Kultur geht. Vergangene Woche wurde das Festjahr »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« offiziell beendet. Bei der Finissage äußerte Zentralratsvizepräsident Abraham Lehrer die Idee, ein solches Gedenkprojekt auf Europa auszuweiten. Großartig oder übertrieben?
Seien wir ehrlich – das Festjahr war einzigartig, sollte es doch zeigen: Jüdisches Leben und jüdische Kultur bilden seit vielen Jahrhunderten trotz all der Brüche einen bereichernden und inspirierenden Bestandteil der deutschen Kultur. Es ist dem Festjahr mit seinen mehr als 2400 Veranstaltungen gelungen, dies einer breiten Öffentlichkeit darzustellen. Warum sollte also diese Erfolgsstory nicht auf andere Länder übertragen werden?
selbstwahrnehmung Wenn sich genau dieses Bild, wonach jüdische Geschichte und Kultur auch Teil Europas sind, vermitteln lässt, ist die Sache mehr als zielführend. Dann nämlich kann erreicht werden, dass trotz Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung jüdisches Leben in Europa über- und weiterlebt als Teil europäischer Kultur und Identität, vor allem aber auch europäischer Selbstwahrnehmung.
An der Geschichte Deutschlands ist beispielhaft, dass das Judentum und die jüdische Kultur sowie ihre Geschichte Teil Europas sind.
An der Geschichte Deutschlands ist beispielhaft, dass das Judentum und die jüdische Kultur sowie ihre Geschichte Teil Europas sind – trotz der fast kompletten Vernichtung des deutschen Judentums. Beispielhaft auch deshalb, weil nach 1945 wieder neues jüdisches Leben in Deutschland entstand.
Doch stellt sich die Frage, ob sich dieses Beispiel genauso auf andere Länder übertragen lässt, wo doch jedes Land seine eigene Geschichte mit ihren Brüchen schreibt. Aber einen Versuch ist es wert. Also werfen wir den Ball ins Spielfeld Europas!
Die Autorin ist Historikerin und Journalistin in Zürich.