Jüdisches Leben wird in den deutschen Medien nach Ansicht von Experten und Vertretern der Juden häufig verzerrt und klischeehaft dargestellt. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte am Donnerstag bei der Veranstaltung »Medienbild im Wandel: Jüdinnen und Juden in Deutschland« in Berlin, die Liste der Fehler und Klischees sei lang.
Sie reiche von »Juden im Schtetl-Look des 19. Jahrhunderts« bis hin zu »Fotos von Moscheen als vermeintliche Synagogen«. Ursache sei in der Regel keine böse Absicht, sondern meistens Unwissenheit, betonte Schuster.
»Antisemitische Klischeebilder in Schrift und Bild begegnen uns immer wieder, wenn wir eine Tageszeitung aufschlagen oder mitunter einen Fernsehbericht verfolgen - oftmals mit der Berichterstattung über Israel, aber auch in der Berichterstattung über jüdisches Leben und jüdische Menschen in Deutschland heute.«
Schuster betonte, es sei nicht nur ein Problem, was manchmal gesagt werde, sondern was dabei oftmals nicht gesagt werde. »Die Vielfalt jüdischen Lebens bleibt für die deutsche Mehrheitsgesellschaft häufig verborgen. Wenn über Jüdinnen und Juden in Deutschland gesprochen wird, dann oftmals nur im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus und der Schoa.«
Große Sorgen bereite ihm der Blick auf die Sozialen Medien, »in denen seit der Corona-Pandemie besonders lautstark antisemitische Verschwörungsmythen und Verleumdungen sichtbar werden«. Mangelndes Wissen über eine bestimmte Gruppe von Menschen, vor allem Dingen über eine Minderheit, führe fast immer zu Vorurteilen. Dieses Phänomen ziehe sich wie ein roter Faden durch die deutsch-jüdische Geschichte.
Schuster hob weiter hervor, dass öffentlich-rechtliche Medien das Jubiläum 1700 Jahre jüdischen Lebens in Deutschland in diesem Jahr mit neuen Formaten aufgreifen. Er forderte dazu auf, dass auch nach dem Festjahr das Sichtbarwerden und die Selbstverständlichkeit jüdischer Vielfalt als Auftrag für die öffentlich-rechtlichen Medien bestehen bleibe.
Material Der ARD-Vorsitzende und WDR-Intendant Tom Buhrow räumte ein, dass vor allem in der aktuellen Berichterstattung die Gefahr bestehe, ins Klischeehafte zu verfallen. Grund sei unter anderem der Zeitdruck, welcher dazu führe, dass man auf vorhandenes, schnell verfügbares Material zurückgreife, das eine leicht erkennbare Bildsprache für das Publikum habe. Man habe dieses Problem jedoch erkannt und versuche, die Datenbanken so zu erweitern, dass mehr Bildmaterial zur Verfügung stehe.
Bei fiktiven Formaten sei man da schon wesentlich weiter, sagte Buhrow. Er verwies unter anderem auf den ARD-Tatort aus Berlin mit der von Meret Becker dargestellten jüdischen Kommissarin Nina Rubin. Da sei jüdisches Alltagsleben »ganz normal« in einen Krimi verpackt.
Der ARD-Vorsitzende und WDR-Intendant Tom Buhrow räumte Fehler bei der Berichterstattung ein.
Ein Beispiel für ein neues und gelungenes nicht-fiktionales Format: Der WDR zeigte in mehreren Folgen die jüdische Late-Night-Show »Freitagnacht Jews« mit Moderator Daniel Donskoy, die unlängst den Deutschen Fernsehpreis gewann.
Grundsätzlich wünschte sich Buhrow einen unverkrampfteren Umgang mit dem Thema jenseits von Gedenktagen. Hier habe die ARD mit ihrer regionalen Aufstellung die Chance, die Vielfalt des Alltagslebens in der Gesellschaft selbstverständlicher vorkommen zu lassen.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sagte zu Beginn des Thementags in ihrem Grußwort: »Die klassischen Medien tragen eine wichtige gesellschaftliche Verantwortung dafür, wie jüdisches Leben wahrgenommen wird.« Insbesondere dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk komme wegen seines Informations-, Bildungs- und Kulturauftrages eine »Schlüsselfunktion« zu.
Ziel des Thementages sei, »die Normalität und Vielfalt jüdischen Lebens in Deutschland heute noch sichtbarer und selbstverständlicher zu machen. Und also nicht immer ausschließlich über furchtbare Vorfälle zu berichten«.
Kultur Die Veranstaltung der Initiative kulturelle Integration fand zwei Tage vor dem zweiten Jahrestag des Anschlags auf die Synagoge von Halle statt. Die Initiative befasst sich mit der Frage, welchen Beitrag Kultur zur Integration leisten kann.
Sie wurde im Dezember 2016 gegründet und geht auf eine Anregung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, des Bundesarbeitsministeriums, des Bundesinnenministeriums und des Deutschen Kulturrates zurück. epd/dpa
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