Lesen

Zwischen Komik und Melancholie

Der neue Roman von Steven Bloom

von Alexander Kluy  27.08.2019 11:02 Uhr

»Ein Aquarell voller Esprit.« Foto: Wallstein Verlag

Der neue Roman von Steven Bloom

von Alexander Kluy  27.08.2019 11:02 Uhr

Es beginnt mit einem Scherz, geborgt aus einem Roman von Isaac Bashevis Singer (Das Landgut). Und geht ganz anders weiter.

Es endet in Coney Island, das völlig anders ist als in Lawrence Ferlinghettis Gedicht »A Coney Island of the Mind«, gerade einmal etwas mit der »suffering humanity« in den ersten Zeilen zu tun hat, mit Menschen und Menschlichkeit, Leid und Zerwürfnissen, der Zerrissenheit eines Landes und der Zerrissenheit einer Familie.

Landeskunde Steven Bloom, der 1942 in Brooklyn, New York, geborene Amerikaner, der lange Amerikanische Landeskunde an der Universität Heidelberg lehrte und erst 1997, mit 55 Jahren, literarisch debütierte, wäre aber nicht der Autor, der er ist, wenn es bei ihm nicht witzig zuginge, ironisch und ganz leicht.

Im Jahr 1968 ist Mendel Kabakov 80 Jahre alt, seit einem Jahr Witwer. Mit Sonia, intelligent, blind, aus wohlhabender liberaler jüdischer Familie, war er fast 50 Jahre verheiratet. New York hat Mendel nur einmal für längere Zeit verlassen, 1917, als er zum Kriegsdienst in Frankreich eingezogen wurde und kämpfen und töten musste.

Kinder Danach lernte er, den Abschluss in Amerikanischer Geschichte in der Tasche und eine Professorenkarriere an der Columbia University vor sich, Sonia kennen. Sie heirateten. Sie bekamen zwei Kinder. Die wiederum Kinder bekamen.

Nun stehen die USA 1968 nach den Attentaten auf Martin Luther King und Robert Kennedy am Rand eines Bürgerkriegs. Der Protest gegen den Vietnamkrieg ist lautstark. Es ist Wahljahr. Der Kongress der Demokratischen Partei erlebt Demonstrationen, die von der Polizei niedergeprügelt werden.

Hetze Die gesamte Atmosphäre ist von Hetze, Lüge, Rassismus bestimmt – und verblüffend gegenwärtig. Mendel, noch immer trauernd, verfolgt al­les aufmerksam, aber distanziert. Er registriert, wie die Ehen seines Sohnes und seiner Tochter zerfallen. Wie sich seine Enkelinnen und Enkel engagieren, für Tierschutz und gegen den Krieg.

Andere Autoren hätten ein buntes Pa­norama ausgepinselt. Bei Bloom ist es ein Aquarell voller Esprit. Die trittsichere Balance zu finden, zwischen Komik und Melancholie, Leichtem und Schwerem, Tragik und Tagespolitik, ist ungemein schwer. Steven Bloom gelingt dies, leichthändig, unterhaltsam, klug. Und unter der Hand getrüffelt mit literarisch anspielungsreicher Konterbande.

Steven Bloom: »Mendel Kabakov und das Jahr des Affen«. Aus dem Englischen von Silvia Morawetz. Wallstein, Göttingen 2019, 208 S., 20 €

27. Januar

Der unbekannte Held von Auschwitz

Der »Berufsverbrecher« Otto Küsel rettete Hunderten das Leben. In Polen ist er ein Held, in Deutschland fast unbekannt. Das will Sebastian Christ mit einem Buch ändern, für das er 20 Jahre lang recherchiert hat

 24.01.2025

Kino

Hoffnung auf mehr »Harry und Sally«

Möglicherweise kehren Meg Ryan und Billy Crystal als Harry und Sally zurück. Zumindest sorgt ein Social-Media-Post derzeit für Glücksgefühle

von Sophie Albers Ben Chamo  24.01.2025

Medien

Michel Friedman ist neuer Herausgeber des »Aufbau«

Die Zeitschrift »Aufbau« erfindet sich mal wieder neu. Diesmal soll Michel Friedman das 90 Jahre alte Blatt modernisieren. Der Journalist und Autor hat viel vor

von Sophie Albers Ben Chamo  23.01.2025

Oscars

»Der Brutalist« und »A Complete Unknown« nominiert

Adrien Brody und Timothée Chalamet sind auch als »Beste Hauptdarsteller« nominiert

 23.01.2025

Kulturkolumne

Sprachnachrichten als Zeitzeugnisse

WhatsApps auf Jiddisch von Regina Steinitz aus Israel

von Maria Ossowski  23.01.2025

Kino

»The Brutalist« - Packendes Filmepos über die Gegenwart der Vergangenheit

In 70mm gedrehtes herausragendes Filmepos über einen dem Holocaust entronnenen Architekten, der in den USA mit einem gigantischen Bauwerk seinen Traumata zu entkommen hofft

von Rüdiger Suchsland  23.01.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  23.01.2025

Lebensmelodien

Musik ist die beste Rache

Am 27. Januar erinnert die UN-Vollversammlung mit Werken verfolgter jüdischer Komponisten an die Schoa – das Projekt entstand in Berlin-Schöneberg

von Ayala Goldmann  23.01.2025

Mel Gibson

»Make Hollywood Great Again«

US-Präsident Donald Trump hat den Regisseur und Schauspieler zu seinem »Sonderbotschafter« ernannt – zusammen mit Sylvester Stallone und Ron Voigt

von Sophie Albers Ben Chamo  23.01.2025