Rund 35 Jahre und 18 gemeinsame Spielfilme lang waren die Brüder Coen unzertrennlich. In den 80er-Jahren begannen Joel und der drei Jahre jüngere Ethan ihre Karriere mit dem Low-Budget-Thriller Blood Simple, später gewannen sie die Goldene Palme in Cannes für Barton Fink und einen ersten Oscar für Fargo, wurden Kult mit The Big Lebowski und endgültig zu Superstars des US-Kinos mit No Country For Old Men.
Ganz zu schweigen davon, dass die beiden jüdischen Filmemacher sich von ihrer eigenen Jugend in Minnesota zu der wunderbar schwarzen Komödie A Serious Man inspirieren ließen. Doch seit einiger Zeit geht das geschwisterliche Dream-Team getrennte Wege: Sechs Jahre ist der letzte gemeinsame Film The Ballad of Buster Scruggs her, Joel brachte zuletzt im Alleingang seine Version von Macbeth an den Start. Und nun folgt sein kleiner Bruder Ethan mit der Komödie Drive-Away Dolls.
Für seinen ersten eigenen Spielfilm (nach der Regie beim Dokumentarfilm Jerry Lee Lewis: Trouble in Me) hat der jüngere Coen sich mit seiner Ehefrau Tricia Cooke zusammengetan, und gemeinsam erzählen sie nun die 1999 angesiedelte Geschichte zweier junger lesbischer Frauen.
Jamie (Margaret Qualley) ist eine wilde Draufgängerin, die das Leben in vollen Zügen genießt und nichts anbrennen lässt, während ihre beste Freundin Marian (Geraldine Viswanathan) das komplette Gegenteil zu sein scheint: statt feiern zu gehen, sitzt sie lieber zu Hause und liest Henry James, an Sex war seit der letzten Beziehung nicht zu denken.
Als Jamie – wenig überraschend – von ihrer Freundin Sukie (Beanie Feldstein) aus der gemeinsamen Wohnung geschmissen wird, trifft es sich gut, dass Marian gerade einen Trip von Philadelphia nach Florida plant. Kurzerhand brechen die beiden Freundinnen gemeinsam auf und heuern dafür bei einer Agentur an, bei der man für andere Kunden deren Autos von A nach B fährt.
Coen und Cooke führen eine offene Ehe – und sie eine Parallelbeziehung mit einer Frau.
Der Wagen, in dem Jamie und Marian aufbrechen, war allerdings nicht für sie bestimmt, ganz zu schweigen von der Ware, die im Kofferraum schlummert. Es dauert also nicht lange, bis sich ein paar skrupellose Gangster den beiden an die Fersen heften, was wiederum auch die Polizistin Sukie auf den Plan ruft. Nicht nur Jamie hält all das davon ab, dafür zu sorgen, dass auch auf diesem Trip Spaß und Sex nicht zu kurz kommen.
Allzu viel Handlung ist das nicht, doch das muss im Road-Movie-Genre kein Nachteil sein. Ohnehin hat man das Gefühl, dass Ethan Coen sich bei dieser Solo-Regiearbeit ein wenig frei machen wollte von dem Aufwand, der die letzten Jahre in vielen der großen Coen-Produktionen steckte, und Lust auf etwas ganz anderes hatte.
Entsprechend lebt Drive-Away Dolls vor allem von einem ungeschliffenen, schnodderig-handgemachten Charme, der sich aus dem überschaubaren Budget und dem schmalen Plot speist und kein bisschen auf anspruchsvolle Komplexität, sondern vor allem auf leichtfüßige Albernheit setzt.
Was nicht heißen soll, dass hier nicht hochkarätige Mitstreiterinnen am Werk waren, etwa der langjährige Coen-Komponist Carter Burwell oder die fantastische Kamerafrau Ari Wegner.
Dass das Ergebnis mitunter ein wenig holprig und unausgegoren wirkt, lässt sich nicht bestreiten. Schon die Kombination der beiden Hauptdarstellerinnen geht nicht wirklich bis ins Letzte auf: Während Qualley (die jüngst auch in Poor Things zu sehen war) komödiantisch auf die Tube drückt und nicht nur beim Südstaaten-Akzent auf dem schmalen Grat zur Karikatur wandelt, bringt die unter anderem aus Teenie-Geschichten wie Der Sex-Pakt bekannte Viswanathan in ihrer Performance eine Subtilität mit, die dem Film ansonsten abgeht.
Kurios und nicht unbedingt aus einem Guss ist auch die Mischung der Nebendarstellerinnen und Gaststars, die sich hier die Ehre geben: Gleich in der Eröffnungsszene taucht Pedro Pascal auf, später folgt der frisch Oscar-nominierte Colman Domingo (Rustin), und schließlich lassen sich sogar der Coen-Kumpel Matt Damon sowie Miley Cyrus blicken.
Dass Drive-Away Dolls mit dem bunten Retro-Look sowie dem Fokus auf weibliche und vor allem homosexuelle Protagonistinnen für Coen recht ungewöhnlich wirkt, dürfte übrigens daran liegen, dass die treibende Kraft hinter dem Projekt eher Tricia Cooke ist. Die identifiziert sich selbst als queer, sie und Coen führen eine offene Ehe und beide parallele Beziehungen, sie mit einer Frau.
Als Gaststars lassen sich Matt Damon, Miley Cyrus, Colman Domingo und Pedro Pascal blicken.
Ein Film, der von weiblicher Lust und persönlicher wie sexueller Freiheit erzählt, war schon lange ihr Traum – und die spürbare Freude, die sie und ihr Mann an dessen Umsetzung hatten, ist das Pfund, mit dem Drive-Away Dolls wuchern kann. Und auch, wenn das Ganze darüber hinaus kein wirklich großer Wurf, hier und da ein wenig platt und auch nicht immer brüllend komisch ist, ist es ohnehin sehr begrüßenswert, wenn auch im queeren Kino die Bandbreite an kleinen, schrägen Kuriositäten wächst.
Fans der Coens, die mit den Alleingängen der Brüder nicht so viel anfangen konnten, dürfen derweil übrigens aufatmen: Die Vorbereitungen für einen neuen gemeinsamen Film haben bereits begonnen.
Der Film läuft ab dem 7. März im Kino.