Das Interesse an dem Fotowettbewerb war riesig, die Anzahl der eingesendeten Fotos immens. Nun wurden am Freitagnachmittag in Berlin die Sieger des Fotowettbewerbs »Zusammenhalt in Vielfalt – Jüdischer Alltag in Deutschland« bekannt gegeben.
Aus den über 650 Einreichungen hatte die prominent besetzte Jury zuvor die zehn mit einem Preisgeld von insgesamt 12.500 Euro prämierten Bilder ausgewählt.
Gewinner des Wettbewerbs ist der Berliner Detlev Seydel. Für sein Schwarz-Weiß-Bild »Ein Schutzmann für Kafka«, das der 75-Jährige eigenen Angaben zufolge Ende vergangenen Jahres vor der Jüdischen Literaturhandlung in der Joachimsthaler Straße aufgenommen hatte, bekam er den Hauptpreis, der mit 5000 Euro prämiert ist.
Das Foto drücke für ihn »die traurige, offensichtliche Notwendigkeit aus, in der heutigen Zeit, jüdische Einrichtungen durch die Polizei schützen zu müssen«, erklärte der emeritierte Mathematikprofessor.
»Selbst für eine Buchhandlung, nur weil sie eine jüdische ist, ist Objektschutz notwendig.«
Nach dem Urteil der Jury drückt sein »sehr starkes Foto« einen traurigen Aspekt des jüdischen Alltags in Deutschland aus: »Selbst für eine Buchhandlung, nur weil sie eine jüdische ist, ist Objektschutz notwendig«, so die Juroren. Besonders hervorgehoben wurde die Tatsache, dass es sich bei dem Polizisten um einen Mann mit Migrationshintergrund handelt.
ALLTAG Zweite Siegerin wurde die 1985 in Belarus geborene Augsburgerin Evgenia Lisowski. Auf ihrem Bild »Auf dem Weg zur Schule« sind zwei Kinder mit Kippa zu sehen, wie sie an einer Haltestelle auf die Straßenbahn warten. Die Jury überzeugte »die Selbstverständlichkeit, mit der die beiden Kinder ihre jüdische Identität in einer alltäglichen Situation – in einer offensichtlich deutschen Umgebung – auf dem Weg zur Schule zeigen.«
Lisowski erklärte zu ihrem Bild: »Heutzutage ist es Gott sei Dank für unsere Kinder möglich, eine deutsche Schule zu besuchen und dabei ihre Traditionen zu behalten. Das Foto soll auch anderen Juden in Deutschland als Unterstützung dienen. Sie müssen sich nicht verstecken, um in der deutschen Gesellschaft aufgenommen zu werden. Um ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu sein, ist es nicht nötig, die jüdische Tradition zu verlassen und die Kette der Generationen zu brechen«.
BERLINER IN BADEWANNE Den dritten Platz belegt ein Foto von in Berlin lebenden Künstlerinnen, der gebürtigen Spanierin Sonia Alcaina Gallardo (35) und der in Moskau geborenen Evgeniya Kartashova (28). Es trägt den Titel »Evgeniya And Other Kosher Berliners« und zeigt Kartashova in einer vollen Badewanne, in der auch einige Berliner – in der Hauptstadt selbst als Pfannkuchen bekannt – schwimmen. Auf der Fensterbank steht eine Menora.
In der Jury saßen unter anderem Kulturstaatsministerin Monika Grütters, Zentralratspräsident Josef Schuster, die Schauspielerin Iris Berben, die Journalistin Shelly Kupferberg und RBB-Intendantin Patricia Schlesinger.
»Für dieses Foto benutzten wir ›Sufganiyot‹ – ein Frittiergebäck, das für Chanukka zubereitet wird und vom Aussehen sehr ähnlich zu den Berliner Pfannkuchen ist«, so die beiden Künstlerinnen zu ihrem Bild. »Wir nutzten diese visuelle Ähnlichkeit des Gebäcks, das zu beiden Kulturen gehören könnte, um das Bild eines ›Post-Jew‹ zu kreieren. Dieser moderne jüdische Mensch, wie ein ›moderner Prometheus‹, muss sich nicht zwischen voller Assimilation und dem Verstecken seiner jüdischen Seite entscheiden.«
PROMINENTE JURY Sieben weitere Siegerfotos wurden von der Jury prämiert. Ausgelobt worden war der Wettbewerb von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien Monika Grütters, dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung Felix Klein, der Initiative Kulturelle Integration sowie dem Zentralrat der Juden in Deutschland.
In der Jury saßen neben Grütters und Klein auch Zentralratspräsident Josef Schuster, die Schauspielerin Iris Berben, der Vorstandsvorsitzende der C/O Berlin Foundation Stefan Ebert, die ADL-Repräsentantin Dalia Grinfeld, die Journalistin Shelly Kupferberg, die Intendantin des RBB Patricia Schlesinger und Olaf Zimmermann, der Sprecher der Initiative Kulturelle Integration.
Letzterer erklärte, die prämierten Fotos zeigten »eindrucksvoll die Vielfalt jüdischen Lebens in der Mitte unserer Gesellschaft und unterstreichen damit das Motto unseres Bündnisses: ›Gegen Rassismus und Ausgrenzung! Für Zusammenhalt in Vielfalt!‹«
»In den Bildern wird deutlich, dass die jüdische Gemeinschaft so bunt wie die gesamte Gesellschaft und ein Teil von ihr ist. Wir sind in Deutschland zu Hause, das ist die Botschaft des Wettbewerbs.«
Josef Schuster
Für Kulturstaatsministerin Grütters »illustrieren die Fotos eine bunte Collage jüdischen Lebens und damit auch das Miteinander in unserer Gegenwart in Deutschland im 21. Jahrhundert. Sie sind mal lässig, mal witzig, pointiert oder plakativ.« Zugleich seien die Bilder immer auch ein Zeichen gegen Hass, Hetze und Ausgrenzung, denn sie widerlegten antisemitische Ressentiments, indem sie die Augen öffnen für das weite und bunte Spektrum jüdischen Alltags. »Diese Vielfalt jüdischer Kultur ist keine fremde Welt, sondern deutsche Lebenswirklichkeit und kulturelle Bereicherung.«
Auch Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, merkte an: »Jüdisches Leben ist oft näher, als viele denken, und ein selbstverständlicher Teil der deutschen Gesellschaft. Gleichzeitig gehören zum jüdischen Alltag leider auch weiterhin Bedrohung und besonderer Schutzbedarf. Diese Mischung aus einem mitunter schweren historischen Erbe, kulturellem Reichtum und der Freude daran repräsentieren die ausgewählten Bilder hervorragend.«
Zentralratspräsident Josef Schuster zeigte sich erfreut über die hohe Zahl der eingereichten Fotos, deren Qualität und deren authentischen Blick auf das jüdische Leben in Deutschland. »In den Bildern wird deutlich, dass die jüdische Gemeinschaft so bunt wie die gesamte Gesellschaft und ein Teil von ihr ist. Wir sind in Deutschland zu Hause, das ist die Botschaft des Wettbewerbs.«
Lesen Sie einen ausführlichen Bericht über den Fotowettbewerb in unserer nächsten Printausgabe.