Mit seinem Film 7 Tage in Entebbe bringt der brasilianische Regisseur José Padilha ein Ereignis auf die Leinwand, das bereits mehr als 40 Jahre zurückliegt und außerhalb von Israel und Teilen der deutschen Linken kaum Spuren hinterlassen hat. Ausgangspunkt des Films war die Publikation einer detaillierten Rekonstruktion der Ereignisse durch den Historiker Saul David anlässlich des 40. Jahrestages der Entführung von Entebbe.
Im Dezember 1976 startete in Deutschland schon einmal ein Film über das Geiseldrama. Unternehmen Entebbe war kurz nach der erfolgreichen Befreiung von über 100 überwiegend israelischen Geiseln durch mehrere Spezialeinheiten der israelischen Armee entstanden.
Besetzt mit namhaften Stars wie Kirk Douglas, Elizabeth Taylor, Anthony Hopkins (in der Rolle von Israels Ministerpräsident Yitzhak Rabin) und dem jungen Richard Dreyfuss als Elitesoldat Yonatan Netanjahu (Bruder des heutigen israelischen Ministerpräsidenten), war Unternehmen Entebbe der erste von mehreren Spielfilmen, die das weltbewegende Ereignis zum Gegenstand hatten.
Selektion Ende Juni 1976 war nach einem Zwischenstopp im griechischen Athen eine aus Tel Aviv kommende Air-France-Passagiermaschine auf dem Weg nach Paris von einem Terrorkommando der »Volksfront zur Befreiung Palästinas – Spezialkommando« (PFLP-SC) entführt worden.
Delikaterweise bestand die Gruppe der Entführer nicht nur aus Mitgliedern der militanten palästinensischen Terrorgruppe, sondern auch aus zwei Deutschen, die sich mit gefälschten südamerikanischen Pässen für den Flug eingecheckt hatten. Die Namen der beiden Deutschen waren zu diesem Zeitpunkt allenfalls westdeutschen Ermittlungsbehörden und einigen Genossen der radikalen Linken in der Bundesrepublik bekannt.
Wilfried Böse, genannt Boni, und Brigitte Kuhlmann gehörten zu den Gründungsmitgliedern der »Revolutionären Zellen«. Delikat war deren Mitwirkung nicht nur, weil dadurch die Entführung auch zu einer bundesdeutschen Angelegenheit wurde. Ihren bleibenden Eindruck hinterließ die Aktion vor allem durch die unter Mithilfe der beiden Deutschen durchgeführte Separierung von israelischen und einigen jüdischen Passagieren, die diese an die »Selektionen« in Auschwitz erinnerten.
Aus diesem Grund spielten auch in Unternehmen Entebbe Anspielungen auf die Zeit des Holocaust eine zentrale Rolle. Ein zeitgenössischer Kritiker der »Frankfurter Rundschau« bescheinigte dem Film daher, (auch) ein »Auschwitz-Film« zu sein. Auch deshalb hatte der Kinostart von Unternehmen Entebbe im Januar 1977 nicht nur Proteste, sondern handfeste terroristische Angriffe auf Kinos zur Folge. In Aachen und Düsseldorf verübten Mitglieder der Revolutionären Zellen zwei, letztlich gescheiterte, Bombenanschläge.
Projektion Es folgten noch zwei weitere Filmversionen, denen ebenfalls von militanten Linken der Kampf angesagt wurde. 1976 erschien Die keine Gnade kennen mit Charles Bronson in der Rolle des israelischen Generals Dan Shomron. Auch in Israel entschloss man sich zu einer eigenen Verfilmung der Ereignisse. Verantwortlich dafür zeichnete der erfolgreiche Regisseur und Produzent Menahem Golan. Sein Film Mivtza Yonatan mit Klaus Kinski in der Rolle Böses kam 1977 in die Kinos. Und nun also noch einmal: 7 Tage in Entebbe.
Kritiker prognostizierten nach der Premiere im Februar auf der Berlinale eine Kontroverse um den Film in Israel, der als Angriff auf die Erinnerung an den in Entebbe zu Tode gekommenen Bruder des heutigen Ministerpräsidenten gewertet wurde. Doch die Kontroverse blieb aus. Die Auseinandersetzung über Yonatan Netanjahus Rolle bei der Befreiungsaktion sowie seinen Tod war in Israel bereits Jahre zuvor kontrovers und öffentlich geführt worden. Daher zerlegte Padilha keineswegs – wie etwa Spiegel-Online-Autor Andreas Borcholte annahm – israelische Mythen.
Auch Padilhas Darstellung von Böse als zerrissenem Helden, der am Ende zögert, die Geiseln zu erschießen, ist nicht so neu und provokant, wie vom Regisseur und einigen Kritikern behauptet. Kinski hatte bereits in Mivtza Yonatan Böse als eine tragische Figur interpretiert und in den Schlussszenen das Zögern des Möchtegern-Revolutionärs betont. Auch die viel gepriesene Multiperspektivität des neuen Films entpuppt sich letztlich als plumpe Gegenüberstellung zweier Handlungslinien.
Die eine konzentriert sich auf die beiden deutschen Entführer, deren Motivation durch zweifelnde Dialoge vermittelt werden soll. Dabei geraten sowohl die ideologische Motivation als auch der antizionistische Kontext zugunsten persönlicher und moralischer Konflikte aus dem Blick. Hängen bleibt ein stereotypes Bild des idealistischen Großstadtrevolutionärs, der an der blutigen Realität des Nahostkonflikts scheitert.
Dessen Ursache soll im anderen Handlungsstrang das Zwiegespräch zwischen Rabin und Peres symbolisieren, die als plumpe Personifizierungen von Friedenslager und Hardlinern dienen. Auch hier gerät der Kontext vollkommen aus dem Blick. Vielmehr dient Entebbe Padilha als Projektionsfläche für seine Interpretation des Nahostkonflikts.
Vergessen All dies geschieht auf Kosten der Opfer und Überlebenden von Entebbe. Anders nämlich als in Unternehmen Entebbe und Mivtza Yonatan bekommen diese in Padilhas Filmversion kaum Raum. Diese Ausblendung ist umso problematischer, weil durch die zunehmende Fokussierung auf Yonatan Netanjahu auch in Israel die Opfer immer mehr aus dem Blick gerieten. Kaum jemand erinnerte sich noch daran, dass Netanjahu nicht der einzige israelische Tote gewesen war.
Der damals 19 Jahre alte Jean-Jacques Mimouni, der Holocaust-Überlebende Pasco Cohen sowie Ida Borochovitch starben im Verlauf der Befreiungsaktion. Die in einem Krankenhaus zurückgebliebene 74 Jahre alte Dora Bloch wurde auf bestialische Weise im Auftrag von Idi Amin ermordet. Vor einigen Jahren brachte der Dokumentarfilm Live or Die in Entebbe die vergessenen Opfer ins Bewusstsein der israelischen Öffentlichkeit zurück.
In 7 Tage in Entebbe werden sie zwar am Ende erwähnt, ihren Tod aber zeigt der Film nicht. Die Zuschauer sehen nur die Leichen von Böse und Kuhlmann. Was der Film nicht erwähnt, ist, dass die beiden Deutschen in Uganda ein Staatsbegräbnis auf dem Friedhof der Märtyrer erhielten.
Dort liegen sie unter ihren arabischen Kampfnamen begraben: Mahmud und Halima. Auch die PFLP setzte den beiden Deutschen ein Denkmal. Ein Jahr später entführte das Kommando Halima unter Leitung eines Kapitän Mahmud die Lufthansa-Maschine »Landshut«.