Auf dem hellblauen Sofa von Jerry Seinfeld sitzen zwei israelische Schüler und schauen sich auf einem Bildschirm einige Videoausschnitte an – na klar, von Seinfeld. Die Jugendlichen waren noch gar nicht geboren, als die Sitcom in den 90er-Jahren ihren Riesenerfolg feierte.
Doch nicht umsonst ist das hier ein Museum – nämlich das Museum für das Jüdische Volk im Beit Hatfutsot auf dem Campus der Tel Aviver Universität. Die aktuelle Ausstellung Let There Be Laughter zeigt nicht nur das nachgebaute Wohnzimmer und die Küche aus Jerry Seinfelds Wohnung, sondern geht in zwei großen Ausstellungsräumen der Frage nach, was jüdischer Humor ist.
Statistik »Es gibt dafür nicht nur eine einzige Definition«, erklärt Asaf Galay, der die Ausstellung zusammen mit Michal Houminer und Orit Shaham-Gover kuratiert hat. Jüdisch-amerikanischer Humor nimmt einen wichtigen Teil der Ausstellung ein: Denn laut einer Statistik waren 75 Prozent all jener Amerikaner, die im Jahr 1975 im Bereich Comedy beruflich tätig waren, jüdisch – so erklärt es ein Infoschild von Let There Be Laughter.
»Jüdischer Humor wurde später in den USA universal, siehe Seinfeld«, sagt Kurator Asaf Galay. So gab bei einer Umfrage unter jüdischen Amerikanern 2013 eine Mehrheit der Befragten an, dass Humor ein zentraler Bestandteil ihres Jüdischseins ist – oft sogar noch vor dem Engagement in jüdischen Gemeinden.
Adam Sandler, Sarah Silverman, Amy Schumer, Jerry Seinfeld – sie sind heute aus der amerikanischen Stand-up-Comedy nicht mehr wegzudenken. Ihre Vorgänger waren in den 40er- und 50er-Jahren im »Borscht Belt« unterwegs, einer jüdischen Feriengegend im Staat New York, wo jüdische Komiker in Hotels jüdischer Besitzer auftraten. Sie amerikanisierten ihre schwer auszusprechenden osteuropäischen Namen und wollten wohl auch dazugehören zur amerikanischen Gesellschaft: Aus Daniel Kaminski wurde Danny Kaye, aus Joseph Levitch wurde Jerry Lewis.
Philip Roth Später schaffte es Woody Allen, zu einem weltbekannten jüdisch-amerikanischen Komiker zu werden, der unter anderem die Figur der Schickse aufgriff – wie übrigens auch der kürzlich verstorbene Autor Philip Roth, dessen Werk auch ein Spiegel des jüdischen Lebens in den USA ist. Viele seiner Helden, so erklärt die Ausstellung, verlieben sich in eine Nichtjüdin, was den Konflikt zwischen jüdischen Familienwerten und dem gleichzeitigen Bestreben, sich in die US-Gesellschaft zu integrieren, auf komische Art und Weise aufzeigte.
Die Abgrenzung der eigenen Kultur und Herkunft zu den »anderen« – auch das ist ein wiederkehrendes Muster des jüdischen Humors. Zu den typischen Figuren gehören auch JAPs, die jüdisch-amerikanischen Prinzessinnen: junge hübsche Frauen, die damit beschäftigt sind, einen möglichst reichen Mann zu finden, wie Cher Horowitz in der Teenager-Komödie Clueless – Was sonst!, gespielt von Alicia Silverstone.
Doch die Ausstellung beleuchtet längst nicht nur Amerika: In einem der zahlreichen interaktiven Teile können Besucher zum Beispiel Clips verschiedener israelischer Satire- und Comedystücke ansehen, sich auf einem Bildschirm durch jüdische Witze aus aller Welt klicken und in einem dunklen Nebenraum über die Witze israelischer Stand-up-Künstler wie Tom Yaar, Orna Banai oder Adi Ashkenazi lachen, die auf einer großen Leinwand abgespielt werden.
Politiker Nicht fehlen dürfen natürlich auch Vertreter der bekanntesten israelischen TV-Satiresendungen: Lebensgroße Figuren wie die rothaarige Miri Pascal aus Echad Ha’am, gespielt von dem Travestiekünstler Ilan Peled, begrüßen die Besucher schon am Eingang, ebenso Shauli und Irina aus HaYehudim Baim, einer Satire-Show, die Politiker und Personen des öffentlichen Lebens sowie einfach nur stereotype israelische Charaktere auf die Schippe nimmt.
Auch Videoclips aus HaYehudim Baim zeigt die Ausstellung. Die Serie beleuchtet das Judentum und verschiedene jüdische Berühmtheiten von König David bis zur Kibbuzbewegung auf besonders kritische und extrem komische Art und Weise.
Die Ausstellung beschäftigt sich aber auch mit typisch jüdischen Witzfiguren: Hersch Ostropoler (1757–1811) wurde zum Narren der Aschkenasen, Joha, der jüdische Trickser, zu dem der Misrachim. Auch die typische jiddische Mamme ist in der Ausstellung vertreten. Sie macht sich ständig Sorgen um den Nachwuchs – vor allem darum, ob er auch genug zu essen hat, weswegen die Schau eine Küche mit üppigen jüdischen Gerichten zeigt, Gefilte Fisch zum Beispiel.
Banditen Und weil die Ausstellung vor allem zum Ausprobieren und Mitmachen anregt, können Besucher im ersten jüdischen Kasino – an einem einarmigen Banditen – ihr Glück versuchen: Wenn sie gewinnen, ertönt »Hava Nagila«. Und in einem abgetrennten Raum können sie vor einer Kamera einen ausgewählten jüdischen Witz vorlesen – das Video wird dann ebenfalls Teil der Ausstellung.
Ist jüdischer Humor also Humor von Juden? Beginnt er schon in der Bibel, im Buch Jona und im Buch Esther, wie manche Experten meinen? Ist es jüdischer Humor, wenn man über sich selbst lacht, sich damit selbst kritisiert und seine eigenen Schwachpunkte betont, wie es Freud definierte, der selbst jüdische Witze sammelte? Ist es der möglicherweise spezifische Humor an der Grenze zur Trauer, um mit schwierigen Situationen klarzukommen?
Es ist wohl von allem ein bisschen, und für jede Form von Humor lässt sich in der Ausstellung etwas finden, über das man lachen kann.
»Let There Be Laughter«: Museum of the Jewish People, Tel Aviv. Bis 2020