Filmemacher, die wissen, was es braucht, um aus einer Serie perfekte Unterhaltung zu machen, gibt es einige. Doch nur wenige können eine Erfolgsbilanz vorweisen wie Debora Cahn, die jüdisch-amerikanische Schöpferin von Diplomatische Beziehungen, dieser Tage bei Netflix in eine zweite Staffel gestartet.
Cahn, Tochter eines Atomphysikers und einer Psychologin, studierte erst am New Yorker Barnard College, dann in Harvard, bevor sie ihre Karriere als Drehbuchautorin begann. Der Durchbruch gelang ihr, als sie bei der vierten Staffel von The West Wing zum Script-Team stieß.
Als die vielfach preisgekrönte Serie von Aaron Sorkin zu Ende geht, tauschte Cahn das Weiße Haus gegen weiße Arztkittel und heuerte bei Greyʼs Anatomy an. Auch bei der von Shonda Rhimes erdachten Krankenhaus-Soap zeichnete sie als Autorin und Co-Produzentin gleichermaßen verantwortlich, wurde für den Emmy und den Preis der Writers Guild of America nominiert. Beim Spin-Off Private Practice wirkte Cahn an den Drehbüchern mit.
Neue Genre-Gefilde
Nachdem sie 2016 dem Seattle Grace Hospital den Rücken gekehrt hatte, wagte sie sich als Autorin mit diversen Serien in neue Genre-Gefilde vor. In dem unter anderem von Martin Scorsese, Mick Jagger und dem jüdischen Journalisten Rich Cohen erdachten Zehnteiler Vinyl erzählte sie von der Musikszene der 70er-Jahre in New York, die Miniserie Fosse/Verdon widmete sich dem Leben des legendären Broadway-Choreografen Bob Fosse und seiner Partnerin Gwen Verdon. Und schließlich stieß sie für die letzten beiden Staffeln zum Team von Homeland, dem acht Jahre lang laufenden Remake der israelischen Erfolgsserie Hatufim – In der Hand des Feindes.
Der Welt der Geheimdienste blieb Cahn auch mit Diplomatische Beziehungen treu, ihrer ersten eigenen, 2023 ausgestrahlten Serie. Leider fand die großartige erste Staffel, die sich um die krisenerprobte Diplomatin und Nahostexpertin Kate Wyler (Keri Russell) dreht, die von einflussreicher Seite als neue Vizepräsidentin positioniert werden soll und dafür mitsamt ihrem deutlich erfahreneren Ehemann Hal (Rufus Sewell) zunächst als Botschafterin nach London geschickt wird, nicht ganz die Aufmerksamkeit, die sie verdient hätte.
Umso erfreulicher, dass es nun trotzdem eine Fortsetzung gibt. Der vollkommen unerwartete Cliffhanger, mit dem die erste Staffel endete, war als solcher damals nicht geplant. »Ursprünglich war alles, was jetzt in der zweiten Staffel zu sehen ist, schon für die erste geplant«, sagte Cahn kürzlich mit Blick auf die Nachwirkungen jenes Bombenattentats, das um ein Haar Hal Wyler das Leben gekostet hätte und den Verdacht nur zu erhärten schien, dass der britische Premierminister tief verwickelt ist in Ereignisse, die auf der ganzen Welt Konsequenzen haben könnten.
»Als Autorin liebe ich natürlich runde Sachen, die in sich abgeschlossen sind. Hier allerdings erwies es sich als verdammt reizvoll, plötzlich alles das, was als Höhepunkt der ersten Staffel gedacht war, in eine zweite zu verwandeln.«
»Als Autorin liebe ich runde Sachen, die in sich abgeschlossen sind.«
Debora Cahn
»Eigentlich war ich nicht auf der Suche nach einer neuen Serie, als das Angebot kam«, erzählt Hauptdarstellerin Keri Russell. »Aber die Art und Weise, wie Debora schreibt, war unwiderstehlich. Diese Mischung aus Intellekt und Screwball-Humor, und dann auch noch gepaart mit der faszinierenden Welt der Diplomatie – das empfinde ich als sehr außergewöhnlich.«
»Einflussreich und klug und bestimmend, aber trotzdem zutiefst menschlich«
»Mir ging es darum, eine Frauenfigur zu schaffen, die einflussreich und klug und bestimmend, aber trotzdem zutiefst menschlich ist«, so Cahn über ihre Protagonistin Kate Wyler. »Auch auf dem politischen Parkett, wo es um so viel geht, sind Menschen unterwegs, die nicht vor Peinlichkeiten, Absurditäten oder schlicht und einfach Fehlern gefeit sind. Das ist, neben dieser Ehe, in der sich alle Auf und Abs einer echten Langzeitbeziehung entdecken lassen, was mich an dieser Geschichte von Beginn am meisten interessiert hat.«
In Diplomatische Beziehungen gibt es manche Momente, die wie der politischen Realität entliehen wirken. Reiner Zufall, betont Cahn.
»Das meiste habe ich ja schon vor einer gefühlten Ewigkeit geschrieben«, sagt er. »Dann unterbrachen die Streiks in Hollywood unsere Dreharbeiten. Mich an aktuellen Schlagzeilen zu orientieren, würde ich deswegen beim Schreiben müßig finden. Eher treibt mich die allgemeine Stimmung im Land um, der Zeitgeist. Aber spannend ist es allemal, wenn die Nachrichtenlage unsere Fiktion manchmal einholt. Und sei es nur, dass Kamala Harris letztes Jahr plötzlich den gleichen Hosenanzug trug wie ein paar Tage zuvor Keri in einer Szene.« Die Chancen, dass sich Ähnliches wiederholt, sind durchaus gegeben – eine dritte Staffel der Serie wurde längst in Auftrag gegeben.