Alles bleibt unter Vorbehalt. Zwar können seit dem 2. Juli nach rund dreieinhalb Monaten Zwangspause die Berliner Kinos wieder ihren Betrieb aufnehmen. Doch müssen weiterhin strenge Hygienevorschriften beachtet werden.
Vor allem die geltenden Abstandsregeln bereiten vielen ihrer Inhaber Kopfzerbrechen, weil deshalb in manchen Lichtspielhäusern nur 20 Prozent der sonst üblichen Gästezahl Platz nehmen dürfen.
Zudem fremdeln manche Filmliebhaber noch mit der Idee, sich über Stunden hinweg mit Unbekannten in einem geschlossenen Raum aufzuhalten.
Streaming Und so müssen sie wohl weiterhin auf Netflix, Amazon Prime & Co. zurückgreifen. Doch das Angebot auf den verschiedenen Streamingplattformen ist schwer zu überschauen. Filmexpertinnen geben daher ein paar Empfehlungen – nur um das Popcorn muss man sich selbst kümmern.
Zwei Serien haben es ihnen dabei besonders angetan: The Marvelous Mrs. Maisel und Transparent, beide auf Amazon Prime zu sehen. »Es ist leichte Kost, dafür aber äußerst geistreich und sehr jüdisch«, lautet Adriana Altaras’ Urteil über die Serie, die sich um das Leben der Stand-up-Komikerin Miriam »Midge« Maisel dreht. »Ich habe alle drei Staffeln mit Begeisterung gesehen«, sagt die Schauspielerin, Autorin und Dramaturgin. Ein Feuerwerk aus brillanten Dialogen und reichlich Wortwitz lässt einfach keine Langeweile aufkommen. Die Musical-Momente, unterfüttert von üppiger Orchester-Dramaturgie, tun ihr Übriges.
East coast »Beide Serien sind meiner Meinung nach das Jüdischste, was derzeit aus den Vereinigten Staaten kommt, und zwar jede auf ihre Art«, schwärmt auch Nicola Galliner, die seit 1995 das von ihr ins Leben gerufene Jüdische Filmfestival Berlin & Brandenburg (JFBB) geleitet hat. »The Marvelous Mrs. Maisel steht für Ostküste und New York, Transparent dagegen repräsentiert Kalifornien.«
Die Serie handelt von einer Familie, die im wahrsten Sinne des Wortes dysfunktional ist. Alles beginnt damit, dass aus Mort Pfefferman, dem von Jeffrey Tambor gespielten Vater, Maura Pfefferman wird, was die ohnehin reichlich vorhandenen neurotischen Potenziale der Mischpoche ordentlich triggert.
»Tambor hatte auch einen kurzen Auftritt in Hummus! The Movie, einem israelischen Film darüber, wie der Kichererbsenbrei Juden, Muslime und Christen zusammenbringen kann, was viel über die Diversität des Landes verrät«, weiß Galliner zu berichten. »Zitiert wird ein amerikanischer Werbespot für Sabra-Hummus mit ihm. Hummus! The Movie wurde mit großer Resonanz auch bei unserem Jüdischen Filmfestival gezeigt.«
Produzentin Zwar nicht auf den sonst üblichen Streamingdiensten ist der aktuelle Film Crescendo – #makemusicnotwar aus dem Hause CCC Filmkunst zu sehen, den seine Produzentin Alice Brauner empfiehlt. »Dafür aber in manchen Autokinos, die gerade eine Renaissance erleben.« Die Geschichte erzählt von jungen Musikern aus Israel und Palästina, die in Südtirol ein gemeinsames Konzert stemmen wollen – sie wollen damit ein Zeichen gegen Hass und Gewalt setzen.
Besonders angetan hat es Brauner in jüngster Zeit aber der vielfach preisgekrönte koreanische Spielfilm Parasite, der jetzt auf Amazon Prime zu sehen ist und ein bemerkenswerter Genre-Hybrid aus Schelmenstück und blutigem Drama ist. »Die ersten zwei Drittel des Film ist alles noch sehr komisch, bis die Story plötzlich kippt.«
New York Aber auch die Netflix-Serie Unorthodox ist ihrer Meinung nach uneingeschränkt empfehlenswert. »Sie hat mir Einblicke in bestimmte jüdische Milieus vermittelt, wie ich sie als Jüdin so noch nie zu sehen bekam.« Gemeint ist die ultraorthodoxe Gruppe der Satmarer Chassiden im New Yorker Bezirk Williamsburg. »Was die Regisseurin Maria Schrader da geschaffen hat, ist aufgrund seiner Detailfülle einzigartig. Auch die schauspielerische Leistung von Shira Haas, die die Protagonistin Esti Shapiro verkörpert, verdient meine Bewunderung.«
Doch manchmal muss es nichts Aktuelles sein, was sich zu sehen lohnt, wie Ataras ergänzt. »Alte Produktionen haben auch ihren Charme. Ganz oben bei mir auf der Liste stehen Die Sopranos, die Mutter aller Mafia-Serien.«