Fernsehen

Zoom auf Adolf Eichmann

Ein BBC-Dokudrama zeigt, wie der Jerusalemer Prozess 1961 zum ersten globalen TV-Ereignis wurde

von Michael Wuliger  19.12.2014 16:32 Uhr

Adolf Eichmann vor Gericht 1961 Foto: dpa

Ein BBC-Dokudrama zeigt, wie der Jerusalemer Prozess 1961 zum ersten globalen TV-Ereignis wurde

von Michael Wuliger  19.12.2014 16:32 Uhr

Es war der Prozess des 20. Jahrhunderts – zumindest für die jüdische Welt: Vom 11. April bis zum 15. Dezember 1961 stand in Jerusalem Adolf Eichmann vor Gericht, der Organisator der »Endlösung«. Täglich berichteten Fernsehsender in aller Welt von dem Verfahren, zeigten Zeugen, die über Auschwitz und andere Vernichtungslager aussagten und oft angesichts ihrer Erinnerungen weinend zusammenbrachen, während der Angeklagte, der sich »nicht schuldig« erklärt hatte, ungerührt in einem schusssicheren Glaskasten saß und sich Notizen machte.

Für viele Zuschauer war es das allererste Mal überhaupt, dass sie von der Schoa erfuhren, nicht zuletzt in Deutschland, wo Schätzungen zufolge 80 Prozent der erwachsenen Bevölkerung die TV-Berichterstattung aus dem Jerusalemer Bezirksgericht verfolgten.

aussenseiter Dass der Prozess in 38 Ländern im Fernsehen ausgestrahlt wurde, war das Verdienst eines Mannes, den die BBC jetzt in den Mittelpunkt eines 90-minütigen Dokudramas stellt, das der britische Sender unter dem Titel The Eichmann Show Anfang 2015 präsentieren wird.

Milton Fruchtman, dargestellt von Martin Freeman (Sherlock, The Hobbit, Fargo) war ein amerikanischer Film- und Fernsehproduzent, der in Israel einige Dokumentationen gedreht hatte. Als der damals 35-Jährige von dem bevorstehenden Prozess erfuhr, versuchte er sofort, sich die Rechte an der Filmaufzeichnung und TV-Ausstrahlung zu sichern. Ein schwieriges Unterfangen. Ministerpräsident Ben Gurion war ein geschworener Feind des Mediums Fernsehen (weshalb in Israel TV erst 1966 eingeführt wurde).

Das Justizministerium war skeptisch, weil es den Eindruck eines Schauprozesses vermeiden wollte. Der israelischen Filmindustrie missfiel, dass ein Ausländer zum Zug kommen sollte, während große internationale Sender und Produktionsfirmen gleichzeitig versuchten, den Außenseiter Fruchtman auszubooten und sich selbst die Rechte zu sichern. Hinzu kam, dass Fruchtman als Regisseur Leo Hurwitz (Anthony LaPaglia – Without a Trace, Lantana) verpflichtet hatte, der als Linker auf der Schwarzen Liste der US-Film- und Fernsehindustrie stand und Berufsverbot hatte.

Dass der Nobody Fruchtman am Ende für 500.000 US-Dollar die Rechte am Eichmann-Prozess erwerben konnte, mag damit zusammengehangen haben, dass seine israelische Ehefrau Hava Sternberg zufällig die Nichte von Justizminister Pinchas Rosen war.

dreh Das BBC-Dokudrama unter der Regie von Paul Andrew Williams (Drehbuch: Simon Block) erzählt die Geschichte dieses ersten globalen Fernsehereignisses in Spielszenen mit dazwischen geschnittenem Originalmaterial aus Fruchtmans und Hurwitz’ Prozessaufzeichnungen. Gedreht wurde The Eichmann Show allerdings nicht am Originalschauplatz Jerusalem, immerhin aber im einstigen »Jerusalem des Westens«, der litauischen Hauptstadt Vilnius.

Vaidotas Martinaitis, ein litauischer Schauspieler, verkörpert Adolf Eichmann. Nicholas Woodeson (The Honourable Woman, Skyfall) spielt den israelischen Kameramann Yaakov, der selbst Überlebender der Schoa war. Ausgestrahlt wird der Film in der Woche vom 27. Januar, dem 70. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz.

Malerei

First Ladys der Abstraktion

Das Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden zeigt farbenfrohe Bilder jüdischer Künstlerinnen

von Dorothee Baer-Bogenschütz  14.01.2025

Leipzig

»War is over« im Capa-Haus

Das Capa-Haus war nach jahrzehntelangem Verfall durch eine bürgerschaftliche Initiative wiederentdeckt und saniert worden

 14.01.2025

Debatte

»Zur freien Rede gehört auch, die Argumente zu hören, die man für falsch hält«

In einem Meinungsstück in der »Welt« machte Elon Musk Wahlwerbung für die AfD. Jetzt meldet sich der Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner zu Wort

von Anna Ringle  13.01.2025

Krefeld

Gütliche Einigung über Campendonk-Gemälde

An der Einigung waren den Angaben nach die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth (Grüne), das Land NRW und die Kulturstiftung der Länder beteiligt

 13.01.2025

TV

Handgefertigte Erinnerung: Arte widmet Stolpersteinen eine Doku

Mehr als 100.000 Stolpersteine erinnern in 30 Ländern Europas an das Schicksal verfolgter Menschen im Zweiten Weltkrieg. Mit Entstehung und Zukunft des Kunstprojektes sowie dessen Hürden befasst sich ein Dokumentarfilm

von Wolfgang Wittenburg  13.01.2025

Mascha Kaléko

Großstadtdichterin mit sprühendem Witz

In den 20er-Jahren war Mascha Kaléko ein Star in Berlin. Die Nazis trieben sie ins Exil. Rund um ihren 50. Todestag erleben die Werke der jüdischen Dichterin eine Renaissance

von Christoph Arens  13.01.2025

Film

»Dude, wir sind Juden in einem Zug in Polen«

Bei den Oscar-Nominierungen darf man mit »A Real Pain« rechnen: Es handelt sich um eine Tragikomödie über das Erbe des Holocaust. Jesse Eisenberg und Kieran Culkin laufen zur Höchstform auf

von Lisa Forster  13.01.2025

Sehen!

»Shikun«

In Amos Gitais neuem Film bebt der geschichtsträchtige Beton zwischen gestern und heute

von Jens Balkenborg  12.01.2025

Omanut Zwillenberg-Förderpreis

Elianna Renner erhält Auszeichnung für jüdische Kunst

Die Schweizerin wird für ihre intensive Auseinandersetzung mit Geschichte, Biografie und Politik geehrt

 12.01.2025