Ausstellung

Zions Puppenstube

Als Kind sammelte ich Puppen. Genauer gesagt: Meine Eltern brachten von unseren vielen Auslandsreisen Puppen in Nationaltrachten mit. Manchmal paarweise, wie den kleinen Gondoliere und seine venezianische Freundin.

Oder den griechischen Soldaten im weißen Faltenrock mit seiner Athener Gefährtin. Eine spanische Flamencotänzerin plus Gitarre spielendem Freund. Und so weiter und so fort. Zu Hause wurden die Puppen auf ein Regal gestellt. Sie durften angeschaut, jedoch nicht angefasst werden. Wie das so mit Nippes ist, wurde irgendwann, als genug davon zusammengekommen war, eine regelrechte Sammlung daraus.

Neben den italienischen, jugoslawischen, griechischen und japanischen Puppenpärchen standen auch israelische Sabras auf dem Regal: ein kleiner Soldatenjunge und natürlich eine Pionierin mit einer Kiste Apfelsinen auf der Schulter. Unter ihrem »Kova Tembl«-Sonnenhut lugten Zöpfe hervor. Dann gab es noch eine charmante jemenitische Familie, ganz aus bunten Telefondrähten geflochten. Und »Srulik«, die klassische israelische Cartoonfigur, hergestellt aus bizarrem gummiartigen Plastik beziehungsweise seltsamem plastikartigen Gummi.

Die Puppen wurden trotz elterlichen Verbots von mir natürlich nicht nur angeschaut, sondern auch angefasst. Sehr oft sogar. So oft, dass viele von ihnen auseinanderfielen. Zu meiner Erleichterung habe ich aber feststellen können, dass es auch Kinder gab, die sich an die Regel hielten und ihre Puppen intakt ließen, damit sie jetzt im Eretz-Israel-Museum in Tel Aviv ausgestellt werden können.

Augenzwinkern Die Schau A Land and It’s Dolls – Israel and National Identity zeigt israelische Kostümpuppen als soziokulturelles Phänomen, das vor der Staatsgründung begann und in den späten 1980er-Jahren zu Ende ging. Ihre beste Zeit hatten die Puppen von den 1950er- bis in die 1970er-Jahre, schreibt die Kuratorin der Ausstellung, Shelly Shenhav-Keller, im Katalog: »Die Puppen wurden privat verkauft, in Souvenirgeschäften oder in Läden, die Institutionen wie WIZO ... gehörten. Sie wurden als Souvenirs gekauft, als Erinnerungen an Orte oder Erfahrungen. Die Käufer waren Israelis und vor allem jüdische Touristen, die sie mit nach Hause nahmen, als ein Stück ihrer nationalen Heimstätte ...«

Die Puppen in der Tel Aviver Ausstellung, schreibt Shenhav-Keller weiter, »manifestieren Symbole, Werte und Mythen, die mit der Schaffung einer israelischen Identität zusammenhängen: Nationalität, Ethnizität, Schmelztiegel, Pluralismus und Multikulturalität.« So sind die Nippesfiguren »Zeugen der Geschichte, die wir uns selbst und anderen erzählen wollten – mit einem gleichzeitigen wissenden Augenzwinkern.«

So wird das wohl mit den meisten Puppen auf der Welt sein, die man an Touristen verkauft. Sie sind Manifestationen nationaler Symbole, Werte und Mythen. Mir jedenfalls ist auf all unseren Reisen nie eine spanische Flamencotänzerin mit Fächer begegnet, auch kein deutscher Bub in Lederhosen. Ist auch egal. So sehr ich die Sammlung meiner Eltern mochte: Meine Lieblingspuppe war Barbie.

»A Land and It’s Dolls – Israel and National Identity«. Eretz Israel Museum Tel Aviv bis 30. September
www.eretzmuseum.org.il

Der Text ist ursprünglich auf Englisch beim Nachrichtenportal »Israel21c« erschienen.

www.israel21c.org

Malerei

First Ladys der Abstraktion

Das Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden zeigt farbenfrohe Bilder jüdischer Künstlerinnen

von Dorothee Baer-Bogenschütz  14.01.2025

Leipzig

»War is over« im Capa-Haus

Das Capa-Haus war nach jahrzehntelangem Verfall durch eine bürgerschaftliche Initiative wiederentdeckt und saniert worden

 14.01.2025

Debatte

»Zur freien Rede gehört auch, die Argumente zu hören, die man für falsch hält«

In einem Meinungsstück in der »Welt« machte Elon Musk Wahlwerbung für die AfD. Jetzt meldet sich der Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner zu Wort

von Anna Ringle  13.01.2025

Krefeld

Gütliche Einigung über Campendonk-Gemälde

An der Einigung waren den Angaben nach die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth (Grüne), das Land NRW und die Kulturstiftung der Länder beteiligt

 13.01.2025

TV

Handgefertigte Erinnerung: Arte widmet Stolpersteinen eine Doku

Mehr als 100.000 Stolpersteine erinnern in 30 Ländern Europas an das Schicksal verfolgter Menschen im Zweiten Weltkrieg. Mit Entstehung und Zukunft des Kunstprojektes sowie dessen Hürden befasst sich ein Dokumentarfilm

von Wolfgang Wittenburg  13.01.2025

Mascha Kaléko

Großstadtdichterin mit sprühendem Witz

In den 20er-Jahren war Mascha Kaléko ein Star in Berlin. Die Nazis trieben sie ins Exil. Rund um ihren 50. Todestag erleben die Werke der jüdischen Dichterin eine Renaissance

von Christoph Arens  13.01.2025

Film

»Dude, wir sind Juden in einem Zug in Polen«

Bei den Oscar-Nominierungen darf man mit »A Real Pain« rechnen: Es handelt sich um eine Tragikomödie über das Erbe des Holocaust. Jesse Eisenberg und Kieran Culkin laufen zur Höchstform auf

von Lisa Forster  13.01.2025

Sehen!

»Shikun«

In Amos Gitais neuem Film bebt der geschichtsträchtige Beton zwischen gestern und heute

von Jens Balkenborg  12.01.2025

Omanut Zwillenberg-Förderpreis

Elianna Renner erhält Auszeichnung für jüdische Kunst

Die Schweizerin wird für ihre intensive Auseinandersetzung mit Geschichte, Biografie und Politik geehrt

 12.01.2025