Wenn in Europa der Winter mit Eis und Schnee einbricht, reist man gern nach Israel (momentane Temperatur in Eilat 23 Grad). Doch nicht touristische Gründe führten vergangene Woche Heinz-Christian Strache und Andreas Mölzer aus Österreich, den Belgier Filip de Winter, den Deutsch-Schweden Patrik Brinkmann sowie weitere Mitreisende aus Dänemark, den Niederlanden und Schweden ins Heilige Land. Die Herren (Damen waren nicht dabei) wollten Verbundenheit mit dem jüdischen Staat bekunden. In einer »Jerusalemer Erklärung« am 7. Dezember versicherten sie Israel ihre uneingeschränkte Solidarität.
alte kameraden Wem die Namen nichts sagen: Heinz-Christian Strache, in seiner Jugend Teilnehmer bei rechtsextremen »Wehrsportübungen«, ist Chef der rechts-populistischen FPÖ. Sein Parteifreund Mölzer ist unter anderem dadurch bekannt geworden, dass er als Abgeordneter im Europaparlament einer Entschließung zum Holocaustgedenken nicht zustimmen wollte. Über Filip de Winter, den Vorsitzenden der flämischen Separatistenpartei Vlaams Belang, ist bei Wikipedia zu lesen, dass er einst eine Rede vor flämischen SS-Veteranen mit dem Himmler-Motto »Meine Ehre heißt Treue« eröffnete. Patrik Brinkmann, deutsch-schwedischer Millionär, hat nach engen Kontakten zur NPD und Mitgliedschaft in der DVU vor geraumer Zeit seinen eigenen rechten Laden »Pro Deutschland« aufgemacht, der mit dezidiert fremdenfeindlichen Parolen das Terrain rechts von der CDU/CSU besetzen will.
Besonders ausgeprägten Philosemitismus kann man also keinem dieser Israelbesucher nachsagen. Ihre neue Nähe zum jüdischen Staat hat andere Gründe. Im rechtsradikalen Spektrum Europas tobt seit einiger Zeit ein Richtungsstreit um die Frage, ob das traditionelle Feindbild Jude nicht obsolet geworden ist und durch militanten Anti-Islamismus ersetzt werden sollte. Schließlich drohe die beschriene Gefahr einer »ethnisch-kulturellen Umvolkung« (Mölzer) eher von Millionen muslimischer Migranten als von den paar übrig gebliebenen Juden. Mehr noch: Im Kampf gegen den Islam sieht sich diese, vom eigenen Selbstverständnis her »moderne« Rechte, mit Israel nolens volens in einer Front, getreu der gern zitierten nahöstlichen Weisheit »Der Feind meines Feindes ist mein Freund«. Ganz nebenbei kann man sich auf diese Weise gleich auch von peinlichen Nazi-Traditionslinien absetzen, mit denen mittlerweile eh kein Blumentopf, sprich, Wählerstimmen zu gewinnen sind. Also wird bei »Ausländer raus«-Kundgebungen auch schon mal mit Israelfahnen gewedelt (so geschehen in Köln).
bündnisse Schöne neue Freunde habt ihr da, werden jetzt mit klammheimlicher Freude Antizionisten jeder politischen Couleur sagen, vielleicht sogar auf ideologische Affinitäten zwischen europäischen und israelischen extremen Rechten verweisen. Gab es nicht schon bei Jabotinskys Zionisten-Revisionisten, den Vorläufern des heute regierenden Likud, offene Sympathien für Mussolinis Faschisten? Schon fragt Lorenz Jäger in der Frankfurter Allgemeinen rhetorisch: »Wächst jetzt zusammen, was zusammengehört?«
Darauf könnte man natürlich antworten, dass ein Land, genauso wie ein Schlagersänger, sich seine Fans nicht aussuchen kann. Fundamentalistische US-Christen etwa gehören zu den treuesten Freunden Israels. Soll das Land die Unterstützung dieser mächtigen Gruppierung ausschlagen, nur, weil deren Anhänger auch glauben, dass den Juden ewige Verdammnis droht, wenn sie sich nicht taufen lassen? So ist Politik eben. Besonders Wagemutige können sogar historische Vergleiche bemühen. Haben die Westmächte im Zweiten Weltkrieg nicht mit Stalin gegen Hitler paktiert? Winston Churchill sagte bei der Gelegenheit im Unterhaus, dass, wenn Nazideutschland demnächst der Hölle den Krieg erklären würde, er ein paar lobende Worte für Satan persönlich finden werde. Da wird man ja wohl auch noch einen Strache oder Brinkmann aushalten können.
Eigentor Doch so recht überzeugen wollen diese Argumente einen selbst nicht. Ein grundsätzliches Unbehagen bleibt. Zwar gehen Israel die neuen Möchtegern-Bündnispartner offenkundig am Tuches vorbei. Kein relevanter Politiker hat für sie Zeit gehabt. Gesprochen haben mit der Rechtsaußen-Delegation nur einzelne Abgeordnete von Schas und Israel Beteinu, Siedlervertreter sowie der Bürgermeister von Sderot. Politische Elite sieht anders aus.
Aber hier in der Diaspora könnte es peinlich werden – und mehr. Sollen demnächst jüdische Gemeinden an einem Tag gegen Fremdenfeinde auf die Straße gehen und am nächsten mit just diesen Rassisten gemeinsam für Israel demonstrieren? Eine atemberaubende Vorstellung. Zumal diese Art Gesellschaft auch sonst nicht gerade koscher ist. Man tritt den neuen Israelfreunden wohl nicht zu nahe mit dem Verdacht, dass ihr Zionismus von der Sorte ist, die am liebsten alle Juden in Israel sähe statt als Bürger des eigenen Landes.
Gewiss: Akuter und physisch gefährlicher als der traditionelle Antisemitismus der europäischen Rechten ist derzeit der neue Judenhass unter Muslimen, ob im Nahen Osten oder in Göteborg, London und der Pariser Banlieue. Aber man muss es deshalb nicht den aus Algerien vertriebenen französischen Juden nachmachen, die aus purem Hass auf Araber seit Jahrzehnten Le Pens so antisemitische wie antimuslimische Front National wählen, Abgesehen davon, dass sie sich politisch damit selbst ins Knie schießen, ist das auch eine Frage der Selbstachtung. Mit bestimmten Leuten gibt man sich nun mal nicht ab. Politik schafft seltsame Bettgenossen, sagt ein englisches Sprichwort. Aber deshalb muss man nicht gleich Perversionen praktizieren.