Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat sein tiefes Bedauern über den Tod von Rolf Hochhuth ausgedrückt. Mit ihm verliere Deutschland »nicht nur einen renommierten Dramatiker, sondern auch einen mutigen Tabubrecher«, teilte der Zentralrat heute mit. Hochhuth starb am Mittwoch im Alter von 89 Jahren in Berlin, wie der Rowohlt-Verlag heute bestätigte.
Mit seinem Stück Der Stellvertreter, das seit seiner Uraufführung 1963 in Berlin weltweit Aufsehen erregte, habe Hochhuth wie kein anderer die unrühmliche Rolle des Vatikans während des Nationalsozialismus beleuchtet und damit eine überfällige Debatte in Deutschland angestoßen, erklärte der Zentralrat. Ebenso habe sich Hochhuth engagiert in gesellschaftliche Debatten über die Aufarbeitung des Nationalsozialismus eingemischt.
ELITEN Zentralratspräsident Josef Schuster nannte Hochhuth ein Vorbild für Schriftsteller, um gesellschaftliche Missstände anzuprangern und sich für die Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit einzusetzen: »So unverständlich es war, dass Rolf Hochhuth zwischenzeitlich mit dem Holocaust-Leugner David Irving sympathisierte, so bleiben seine Verdienste um die Auseinandersetzung mit der Verstrickung der gesellschaftlichen und kirchlichen Eliten in die Schoa ungeschmälert.«
Geboren wurde Hochhuth am 1. April 1931 in Eschwege. Er war Verlagslektor beim Bertelsmann-Lesering, als er 1959 während eines Rom-Aufenthalts den Stellvertreter konzipierte. Sein Dramendebüt erschien 1963 bei Rowohlt. Mit der Uraufführung unter der Regie von Erwin Piscator begann in der Bundesrepublik im selben Jahr eine neue Phase des Theaters.
DISKUSSION Durch seine Erzählung Eine Liebe in Deutschland löste Hochhuth 1978 eine Diskussion um die Vergangenheit des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger als NS-Richter aus. Zu den bekanntesten Stücken des politischen Autors gehören zudem Wessis in Weimar und McKinsey kommt (2004).
Hochhuth erhielt zahlreiche Auszeichnungen. Unter anderem wurden ihm der Kunstpreis der Stadt Basel (1976), der Geschwister-Scholl-Preis (1980), der Elisabeth-Langgässer-Preis (1990) und der Jacob-Grimm-Preis für Deutsche Sprache (2001) verliehen.
GÜNTER GRASS Im Jahr 2012 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen Hochhuth und seinem Schriftstellerkollegen, dem Nobelpreisträger Günter Grass. Letzterer hatte Israel in einem in der »Süddeutschen Zeitung« veröffentlichten Gedicht scharf kritisiert.
Hochhuth schrieb daraufhin eine Replik im »Münchner Merkur«, in der er Grass entgegenwarf: »Ich frage Dich, Günter Grass, hast Du je, seit unser Führer am 1. September 1939, in seiner Kriegserklärung an Polen, als der ehrlichste aller Massenmörder der Geschichte, der Welt ›die Ausrottung der jüdischen Rasse in Europa‹ vorankündigte –, hast Du seither von einem anderen Staat als dem Iran eine wörtlich fast gleich lautende Drohung gehört?«
In Anspielung auf die lange verborgene Mitgliedschaft von Grass bei der Waffen-SS schloss Hochhuth mit den Worten: »Du bist geblieben, was Du freiwillig geworden bist: Der SS-Mann, der das 60 Jahre verschwiegen hat, aber den Bundeskanzler Kohl anpöbelte, weil der Hand in Hand mit einem amerikanischen Präsidenten einen Soldaten-Friedhof besuchte, auf dem auch 40 SS-Gefallene liegen – nie gab es einen meisterhafteren Tartuffe als Dich!« ja/mth/epd