Nach den Diskussionen um die documenta fifteen mit zahlreichen antisemitischen Kunstwerken hat der Zentralrat der Juden in Deutschland erneut Konsequenzen gefordert.
»Sich in Reden gegen Antisemitismus auszusprechen, ist gut und wichtig, aber hieraus müssen auch Handlungen erwachsen«, sagte der Geschäftsführer des Zentralrats, Daniel Botmann, am Mittwoch in Berlin im Kulturausschuss des Bundestages. Dies müsse auf der Haltung fußen, »dass man Antisemitismus in keinem Umfang und in keiner Ausprägung dulden wird«.
»Sich in Reden gegen Antisemitismus auszusprechen, ist gut und wichtig, aber hieraus müssen auch Handlungen erwachsen.«
Daniel Botmann
Bei der documenta sei Verantwortungslosigkeit zum Konzept gemacht worden. Das müsse sich ändern. »Es geht nicht darum, Symptome zu behandeln, ein Bild abzuhängen oder nachträglich kontextualisierende Texte zu ergänzen. Sondern wir müssen an die Wurzel des Problems ran«, sagte Botmann. Der Ausschluss von Antisemitismus und die
Wahrung der Kunstfreiheit seien keine Gegensätze.
FÖRDERUNG Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) betonte, Antisemitismus und Rassismus dürften keinen Platz haben bei Kunstausstellungen. Staatliche Förderung von Kunst verbinde sich mit Verantwortung, diese sei in Kassel nicht wahrgenommen worden. Der Bund sei bereit, bei der documenta, neben der Biennale in Venedig die wichtigste Ausstellung für Gegenwartskunst, wieder mehr Verantwortung zu übernehmen.
Bei der Zusammensetzung von Diskussionsrunden über Antisemitismus ist es nicht um die Perspektiven von Betroffenen gegangen, betont der Zentralrat.
Roth betonte den hohen Wert von Kunst. Gleichzeitig müsse gegen Antisemitismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit vorgegangen werden. Sie verwies darauf, dass staatliches Wollen und Dürfen nicht immer identisch seien.
Nicole Deitelhoff, Vorsitzende des Gremiums zur fachwissenschaftlichen Begleitung der documenta, sagte, die documenta sei auf das kuratorische Konzept nicht vorbereitet gewesen. Sie forderte, die Geschäftsführung zu stärken und Konfliktregeln festzuhalten. Der Bund solle wieder eingebunden werden in die Verantwortung.
Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass auch künftig nicht auszuschließen sei, dass einzelne Kunstwerke mit antisemitischen Inhalten entdeckt würden. Eine Systematik dürfe sich allerdings nicht wiederholen.
STRAFBARKEIT »Man kann und muss das in Zukunft verhindern«, forderte Daniel Botmann in der anschließenden Diskussion. Die Frage eines Vorgehens gegen antisemitische Kunstwerke dürfe auch nicht auf die Frage reduziert werden, ob deren Inhalt strafbar sei. Auch viele antisemitische Vorfälle in Deutschland lägen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze - dies gelte ebenso im Bereich des Rechtsextremismus.
Man kann und muss so ein Debakel wie auf der documenta verhindern, betont Botmann.
Zuvor hatte Kirsten Haß, Verwaltungsdirektorin der Kulturstiftung des Bundes betont, kein strittiges Kunstwerk der documenta fifteen werde als strafrechtlich relevant eingestuft. Die Debatte über Antisemitismus müsse auf breiter gesellschaftlicher Grundlage geführt werden; die Frage von Zuwendungen sei davon nicht berührt, so Haß.
Im Verlauf der Sitzung des Kulturausschusses kritisierte der Zentralratsgeschäftsführer ferner, es habe bei der documenta fifteen kaum Diskursräume gegeben, »und die, die geschaffen wurden, waren außerordentlich problematisch«.
Bei der Zusammensetzung von Diskussionsrunden über Antisemitismus sei es nicht um die Perspektiven von Betroffenen gegangen, und die Jüdische Gemeinde Kassel sei ausgeschlossen worden, so Daniel Botmann. dpa/ja