»Die Zeit« hat zahlreiche Bittbriefe von Juden an den Vatikan aus der Zeit zwischen 1933 und 1945 veröffentlicht. Die meisten seien direkt an Papst Pius XII. gerichtet, der 1939 ins Amt kam, berichtet die Hamburger Wochenzeitung in ihrer aktuellen Ausgabe. Den Angaben zufolge umfasst der Aktenbestand bis zum Tod des Papstes 1958 rund 16 Millionen Blätter, verteilt auf neun Archive in Rom.
FORSCHERTEAM Die Briefe wurden laut der Zeitung fast alle im früheren Vatikanischen Geheimarchiv, dem heutigen Apostolischen Archiv, von einem deutschen Forscherteam um den Münsteraner katholischen Kirchenhistoriker Hubert Wolf gefunden. Wolf schätze allein die Zahl der Bittbriefe in Rom auf 15.000. Das Projekt »Asking the Pope for Help« wird nach eigenen Angaben gemeinsam von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft, dem Auswärtigen Amt, der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung sowie der Bayer AG gefördert.
Die meisten Briefschreiber wenden sich den Angaben nach in flehentlichen Worten an den Papst und schildern ihre dramatischen Schicksale. Typische Brief-Anfänge lauteten: »Heiliger Vater! Durch bittere Not gezwungen, unterbreite ich nachstehende Bitte.« Oder: »Große Sorge gibt mir den Mut, Eure Heiligkeit um Hilfe anzuflehen«. Oder: »Wenngleich ich keine Katholikin bin, setze ich auf die Nächstenliebe Eurer Heiligkeit.«
Es schrieben Christen für ihre jüdischen Freunde, Mütter für ihre Kinder, Kinder für ihre Väter, hieß es weiter. Oft habe der Heilige Stuhl mit einem Geldbetrag oder einer Schiffspassage geholfen. Wolf habe bereits für mehrere Briefschreiber klären können, ob sie den Krieg überlebt haben. Die genauere Erforschung stehe aber noch aus.
PIUS XII. Papst Franziskus hatte die Vatikanarchive mit Dokumenten aus dem Pontifikat von Papst Pius XII., mit bürgerlichem Namen Eugenio Pacelli, öffnen lassen. Historiker hatten in der Vergangenheit wiederholt die Öffnung gefordert, um das umstrittene Verhalten des Pacelli-Papstes im Umgang mit dem NS-Regime erforschen zu können.
Der deutsche Schriftsteller Rolf Hochhuth (1931-2020) hatte 1963 mit der Veröffentlichung seines Theaterstücks »Der Stellvertreter« über Pius XII. eine anhaltende Kontroverse über den Papst ausgelöst. epd