»Anderswo«

Yalla Bye, Berlin

Die 30-jährige Israelin Noa (Neta Riskin) lebt seit Jahren in Berlin und kommt dort nicht voran. Zuletzt wurde ein Stipendienantrag für ihre Masterarbeit, ein Lexikon von ins Deutsche unübersetzbaren Fremdwörtern, abgeschmettert.

Auch mit ihrem deutschen Freund Jörg (Bodo Euler) läuft es nicht mehr ganz rund. Noa kann nicht einmal seinen Namen richtig aussprechen kann. »Jork« nennt sie ihn. Einem Impuls folgend, fliegt Noa spontan heim nach Israel zu ihrer Familie.

zoff Vom Fremdsein in der Ferne und in der Heimat handelt diese treffsichere Familienkomödie der in Deutschland lebenden Israelin Ester Amrami, die mit Anderswo ihr Regiestudium an der Hochschule für Film und Fernsehen in Babelsberg abschloss. Schon vor fast einem Jahr hatte die Produktion Premiere in einer Nebensektion der Berlinale und gewann seitdem etliche Preise. Jetzt kommt Anderswo in die Kinos – einer der erfrischendsten und gelungensten deutschen Filme der letzten Zeit.

In Israel will Noa eigentlich nur ein paar Tage bleiben. Aber weil ihre Großmutter im Sterben liegt, wird daraus ein Aufenthalt auf unbestimmte Zeit. Und so gehen Noas Probleme zu Hause weiter. Mit der jüngeren Schwester zickt sie sich giftig an. Ihre pausenlos quasselnde Mama Rachel (Hana Laslo) will »das Kind« mit einem Arzt verkuppeln.

Der Vater versteht so gar nicht, was seine Tochter in Berlin eigentlich verloren hat. Der geliebten Großmutter, die ihre gesamte Familie während der Schoa verlor, muss völlig verschwiegen werden, dass es diesen deutschen Jörg überhaupt gibt. Dudi, der jüngere Bruder, der gerade seinen Militärdienst ableistet, schwankt zwischen Patriotismus und dem Wunsch, alles hinzuschmeißen und zu desertieren.

mamme Und dann taucht plötzlich auch noch Jörg auf, ausgerechnet am Jom Hasikaron, dem nationalen Erinnerungstag an die Kriegstoten. Mit seiner Posaune im Gepäck hat er die Sicherheitsbehörden auf den Plan gerufen. Noas Mutter muss ihn am Flughafen abholen und kümmert sich, trotz ihrer offensichtlichen Abneigung gegen diesen Deutschen, rührend um ihn in einer wunderbaren Mischung aus Jiddisch, Deutsch und Englisch. Hana Laslo, eine der populärsten, israelischen Schauspielerinnen, verkörpert großartig diese so typische jiddische Mamme.

Aber auch die bei uns nahezu unbekannte Hauptdarstellerin Neta Riskin, die selbst jahrelang in Berlin lebte, ist eine Idealbesetzung. Die einzige kleine Schwäche des Films ist der einzige Deutsche. Bodo Euler als Jörg wirkt gegen das Energiebündel Noa, dieses 30-jährige Riesenteenie, etwas blass und kraftlos.

Ester Amrami zeichnet ihre Figuren und deren Umwelt mit einer Mischung aus liebevoller Respektlosigkeit und ironisch-kritischer Distanz. Der Film lebt auch von seiner Vielsprachigkeit, den unterschiedlichen Akzenten, Dialekten und der allgemeinen Sprachverwirrung. In einer der herrlichsten Szenen gibt Jörg Noa und ihrer Familie Nachhilfeunterricht in Sachen Aussprache des O mit Umlaut. Die Regisseurin schneidet in kleinen Vignetten immer wieder Interviews hinein, die Noa bei ihrer Erforschung unübersetzbarer Wörter gemacht hat. Lange und ausführlich werden türkische, arabische und russische Lexeme erklärt – Letztere von Wladimir Kaminer, der einen sehenswerten Gastauftritt hat .

Selten war eine Komödie über Deutsche, Juden und Israel so beschwingt, so realistisch, so bittersüß und doch ermutigend.

Saarbrücken

Moderne Galerie zeigt Illustrationen von Marc Chagall

Die Schau »Marc Chagall. Die heilige Schrift« ist bis zum 25. April 2025 zu sehen

 21.11.2024

Fußball

Neuer wackelt: Plötzliche Chance für Peretz im Bayern-Tor?

Manuel Neuer plagt »ein Stechen im Rippenbereich« und Sven Ulrteich fällt vorerst aus persönlichen Gründen aus

 21.11.2024

Gut besucht: die Konferenz in Berlin

Zionismus-Tagung

Vom Recht auf einen souveränen Staat

In Berlin diskutieren Referenten und Teilnehmer aus Deutschland und Israel verschiedene Aspekte

von Detlef David Kauschke  21.11.2024

Veranstaltungen

Sehen. Hören. Hingehen.

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 21. November bis zum 28. November

 21.11.2024

Liedermacher

Wolf Biermann: Ein gutes Lied ist zeitlos gut

Er irre sich zuweilen, gehöre habe nicht zu den »irrsten Irrern«, sagt der Liedermacher

 21.11.2024

Nachruf

Meister des Figurativen

Mit Frank Auerbach hat die Welt einen der bedeutendsten Künstler der Nachkriegsmoderne verloren

von Sebastian C. Strenger  21.11.2024

Berlin

Ausstellung zu Nan Goldin: Gaza-Haltung sorgt für Streit

Eine Ausstellung würdigt das Lebenswerk der Künstlerin. Vor der Eröffnung entbrennt eine Debatte

von Sabrina Szameitat  21.11.2024

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 21.11.2024

Fachtagung

»Kulturelle Intifada«

Seit dem 7. Oktober ist es für jüdische Künstler sehr schwierig geworden. Damit beschäftigte sich jetzt eine Tagung

von Leticia Witte  20.11.2024