Fernsehen

»Wütend, laut, radikal«: Dunja Hayalis Deutschlandreise

ZDF Moderatorin Dunja Hayali, Islamisten-Demo, Gruppe Muslim Interaktiv ruft zur Kundgebung für ein Kalifat auf, Stadtteil St. Georg Kreuzweg/Ecke Steindamm Hamburg, 11.5.2024 Foto: Wallocha

Fernsehen

»Wütend, laut, radikal«: Dunja Hayalis Deutschlandreise

Islamisten, Rechts- und Linksextreme: Der Ton wird aggressiver

von Steffen Grimberg  29.08.2024 21:40 Uhr

Die Recherchereise ist so etwas wie das Kreuzfahrtschiff des Journalismus: Sie führt Reporterinnen und Reporter von einem Ort des Geschehens zu dem nächsten. Wirft Blicke auf ganz unterschiedliche Ereignisse oder Regionen und bietet doch ein verlässliches Gefäß, auf das immer wieder zurückgegriffen werden kann.

Doch wie bei realen Kreuzfahrten hängt der Erkenntnisgewinn über Land und Leute stark davon ab, ob man - im übertragenen Sinne - die ganze Zeit gemütlich in der vollklimatisierten Kabine an Bord bleibt. Oder an den Landausflügen teilnimmt und sich dabei wirklich der vorgefundenen Situation öffnet.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Aktuell sind längst nicht mehr nur die öffentlich-rechtlichen Sender in Land unterwegs, um herauszufinden, wie Deutschland gerade tickt. Für das ZDF fragt Eva Schulz »Deutschland, warum bist du so?« (in der Mediathek abrufbar), bleibt damit aber einzig und allein im Osten und dort auch noch stecken. Für die ARD ist am Montag zur besten Sendezeit kurz vor den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg Jessy Wellmer in ihrer ostdeutschen Heimat unterwegs und fragt »Machen wir uns die Demokratie kaputt?«.

Erst nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen, am 12. September, startet bei Sat.1 »Bild«- Vizechefredakteur Paul Ronzheimer mit seiner Reihe »Wie geht’s Deutschland«, bei der der eigentlich auf schwerste Kriegs- und Krisengebiete abonnierte Extremreporter seinen Landmenschen aufs Maul und auf die Finger schaut. Los geht es auch hier mit dem Thema Rechtsextremismus; immerhin zieht es Ronzheimer dabei aber nicht nur in den Osten, sondern auch in seine ostfriesische Heimat.

Hayali begegnete Menschen auf Augenhöhe

Die bisher gelungenste Reportage-Reise liefert aber Dunja Hayali in einer Ausgabe der ZDF-Reihe »Am Puls« ab, die ab sofort in der ZDF-Mediathek zu sehen ist. Sie widmet sich unter dem Titel »Wütend, laut radikal« der »neuen Protestkultur« im Land, macht daran aber auch gleich ein Fragezeichen.

Auch Hayali beginnt ihre Fahrt im Osten der Republik und kommt mit rechten Demonstranten wie den Gegenbewegten ins Gespräch. Das gelingt nicht immer, aber es mag an Hayalis Art liegen, den Menschen mit klarer Haltung, aber offen und auf Augenhöhe zu begegnen, dass sie sie mehr zum Reden bringt als andere Recherchereise-Protagonisten.

Sie ist dabei nie belehrend, sondern wirklich interessiert. Und man nimmt ihr ab, dass sie ihre Meinung bei guten Argumenten vermutlich sogar ändern würde. Das macht sie aber nicht zur anpasslerischen »Ja«-Sagerin, im Gegenteil. Ob der gerichtsbekannte Rechtsaußen bei der Demo im Osten, der sein verbotenes SS-Totenkopf-Tattoo unter einem Verband trägt, um beim Aufmarsch keinen Ärger mit der Polizei zu bekommen - oder der Klimaschützer der Letzten Generation, der zum x-ten Mal nach einer Blockadeaktion kurzzeitig festgenommen wird: Hayali konfrontiert sie alle mit den existenziellen Fragen nach dem »Warum« - und fragt, ob andere Formen des Protestes nicht auch denkbar wären.

Aushalten und stehen lassen

»Gegen Faschismus zu demonstrieren, macht doch Sinn«, sagt sie dem Rechten ins Gesicht. »Gegen Krieg zu demonstrieren, macht aber auch Sinn«, entgegnet der. Und es gehört zu den Stärken der Doku, dass sie das aushält und stehen lässt.

Der erhobene Zeigefinger ist so gar nicht Dunja Hayalis Sache, sie hat ihn auch gar nicht nötig. Die Bauernproteste und ihre rechte Unterwanderung an manchen Orten kommen vor und zeigen, dass sich die Landwirtinnen und Landwirte sehr wohl dagegen wehren konnten und gewehrt haben.

Das stimmt hoffnungsfroh, doch das nächste Beispiel lässt dann auch Hayali ratlos zurück: Die sich weiter radikalisierende Bewegung von Islamisten, die ausgerechnet - oder vielleicht gerade deswegen - im säkularen Hamburg ein Kalifat errichten wollen, macht sprachlos.

Spätestens wenn nach einer ersten Demo mit radikalen Parolen die dahinter stehende Organisation ihre Strategie ändert und sich durch demonstratives Schweigen und leere Plakate mit der Aufschrift »Zensur« zum Opfer macht, reißt der Kommunikationsfaden ab. Es ist das einzige Mal im Film, wo auch Hayali auf Granit beißt und die Gegenüber stumm bleiben.

Doch geredet werden muss, so Hayalis Fazit. Zwischen Palästinensern und Israelis, Rechten und Linken, Klimarettern und Menschen, denen Veränderung Angst macht. Und vor allem mit allen, die dazwischenstehen. »Dazu müssen wir im Gespräch bleiben - auch wenn es manchmal weh tut«, sagt sie zum Abschluss des Films.

»Am Puls - Wütend, laut, radikal - die neue Protestkultur?« in der ZDF-Mediathek

»Machen wir unsere Demokratie kaputt« in der ARD-Mediathek (Trailer, verfügbar ab 26.08.)

»Deutschland, warum bist du so?« in der ZDF-Mediathek

Fernsehen

Ungeschminkte Innenansichten in den NS-Alltag

Lange lag der Fokus der NS-Aufarbeitung auf den Intensivtätern in Staat und Militär. Doch auch viele einfache Menschen folgten der Nazi-Ideologie teils begeistert, wie eine vierteilige ARD-Dokureihe eindrucksvoll zeigt

von Manfred Riepe  23.04.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Hochzeitsnächte und der Vorhang des Vergessens

von Margalit Edelstein  22.04.2025

Graphic Novel

Therese Giehse in fünf Akten

Barbara Yelins Comic-Biografie der Schauspielerin und Kabarettistin

von Michael Schleicher  22.04.2025

TV-Tipp

Arte-Doku über Emilie Schindler - Nicht nur »die Frau von«

Emilie und Oskar Schindler setzten sich für ihre jüdischen Arbeiter ein. Am 23. April läuft auf Arte eine Doku, die Emilie in den Mittelpunkt rückt

von Leticia Witte  22.04.2025

Kino

Film zu SS-Plantage »Kräutergarten« kommt ins Kino

Der Ort ist fast vergessen: Häftlinge im KZ Dachau erlitten dort Furchtbares. Nun erinnert der Dokumentarfilm »Ein stummer Hund will ich nicht sein« daran

 22.04.2025

Interview

»Die ganze Bandbreite«

Programmdirektorin Lea Wohl von Haselberg über das Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg und israelisches Kino nach dem 7. Oktober

von Nicole Dreyfus  22.04.2025

Jazz

»Still Blooming«: Neues Album von Jeff Goldblum

Auf seinem neuen Album mischt der Schauspieler Jazzklassiker mit Starpower: Ariana Grande und Scarlett Johansson sind dabei

von Sabina Crisan  22.04.2025

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt wie die von Sophie von der Tann sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  21.04.2025

Sehen!

»Die Passagierin«

Am Deutschen Nationaltheater in Weimar ist eine der intelligentesten Nachinszenierungen von Mieczyslaw Weinbergs Oper zu sehen

von Joachim Lange  21.04.2025