Für den Liedermacher Wolf Biermann haben viele Ostdeutsche bis heute ein Freiheits- und Demokratieproblem. Das zeigt sich für den 87-jährigen früheren DDR-Dissidenten an den hohen Zustimmungswerten für die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) vor den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg.
»Die, die zu feige waren in der Diktatur, rebellieren jetzt ohne Risiko gegen die Demokratie«, sagte Biermann »Zeit Online«: »Den Bequemlichkeiten der Diktatur jammern sie nach, und die Mühen der Demokratie sind ihnen fremd.«
Die Menschen verklärten ihr altes Leben und wählten AfD oder »die neue Firma von Sahra Wagenknecht«, so Biermann: »Wagenknecht und Höcke sind das politische Brautpaar der Stunde.« Da wachse in der Ex-DDR zusammen, was zusammengehöre: »Die Erben des Hitlerschen Nationalsozialismus und des Stalinschen Nationalkommunismus.« Echte Braune und falsche Rote verachteten die Regenbogenfarben der Demokratie.
Diktatur in den Seelen
Häuser und Fabriken könne man in wenigen Jahren wieder neu und sogar schöner bauen. Die Schäden aber, die eine Diktatur in den Seelen anrichte, verschwänden langsamer. »Hass und Hässlichkeiten werden noch in die zweite und dritte Generation vererbt. Wir Deutschen haben einen totalitären Familienstammbaum mit einer aufgepfropften Demokratie«, sagte der Liedermacher mit jüdischem Familienhintergrund.
Allerdings gebe es »den simplen Ossi« nicht. Und darauf hoffe er jetzt vor den Landtagswahlen: »Viele votieren für eine bunte Demokratie. Die wählen ohne Wutbürger-Romantik gutbürgerlich CDU, SPD, Grüne und FDP. Und das freut mein altes Herz.«
Wolf Biermann bekannte sich 1991 zu seiner jüdischen Herkunft und zum Staat Israel, als der erste Golfkrieg begann. Sein Vater war 1943 in Auschwitz ermordet worden. epd/ja