Wer sich anschickt, jüdischen Humor im musealen Rahmen zu präsentieren, der dürfte mit schöner Regelmäßigkeit als Erstes überall auf Gelächter stoßen. Denn: Geht das überhaupt, jüdischen Witz zu zeigen? Wie schafft man es, Pointen erklärend zu präsentieren, ohne dass es unzusammenhängend erscheint und ein überwölbender humoristischer Bogen fehlt?
Was muss enthalten sein, was darf auf keinen Fall fehlen, damit ein Witz zündet? Wie weit soll man ausgreifen? Von Theater und Kabarett bis zum Film? Von dort weiter zu Karikaturen, Comics, Ephraim-Kishon-Büchern? Von spontanem Wortwitz bis zu durchchoreografierten TV-Sitcoms? Wie tief zurück in die Geschichte ist zu gehen, bis die gesellschaftliche Umgebung von Pointen nicht mehr verständlich, sondern nur noch antiquarisch ist? Und auf welche Weise lässt sich mündliches Witzeerzählen integrieren?
detailreich Die beiden Ausstellungsmacher Marcus G. Patka, Kurator des Jüdischen Museums im Palais Eskeles in der Wiener Innenstadt, und Alfred Stalzer, dessen PR-Büro das Museum betreut, zeigen auf gleich zwei Stockwerken die Schau »Alle meschugge? Jüdischer Witz und Humor«. Sie haben schon vor zwölf Jahren gemeinsam eine Humor-Ausstellung kuratiert, damals über Karl Farkas, den Wiener Kabarettisten und langjährigen Leiter des Kabaretts »Simpl«.
Nun greifen sie weit aus, mehr als 100 Jahre. Sie haben einen detailreichen, manchmal überbordend selbstverliebten Parcours konzipiert. Der allerdings am Ende manchen Besucher etwas ratlos entlassen dürfte. Denn elegant und voller Stolz auf so manchen pittoresken Schlenker und so manches kuriose Exponat – insgesamt sind mehrere Hundert Objekte zu sehen – wird eben den großen, entscheidenden Fragen ausgewichen: Gibt es eine spezielle Basis jüdischen Humors?
Oder ist Witz eine anthropologische Konstante, die etwas ungleichmäßig auf Juden wie auf Nichtjuden verteilt ist, durch alle Zeiten hindurch? Ist eine bestimmte Zielrichtung jüdischen Humors – Ironie, Esprit, Selbstverspottung – auszumachen, oder ist solcherart Verallgemeinerung sinnlos, abwegig, witzlos?
Chronologisch Patka und Stelzer haben sich für sieben Stationen und eine chronologische Abfolge entschieden. Der Auftakt ist für jiddische Tradition in Ost und West reserviert, vorgeführt anhand von Fotografien, Programmbroschüren, Aufzeichnungen und, im weiteren Verlauf immer zahlreicher werdend, vielen Musik-, Wort- und Filmbeispielen, die via Kopfhörer zu hören sind oder als Ausschnitte aus Stummfilmen, etwa mit dem jungen Ernst Lubitsch, an die Wände projiziert werden oder auf Bildschirmen laufen.
Die nächsten Räume handeln dann jeweils eine Dekade, eine Ära ab, so die »Metropolen des Humors: Wien / Berlin« die 20er-Jahre: Curt Bois, das Kabarett der Komiker von Paul Morgan und Fritz Grünbaum. Diesen Wiener Conférencier und Schauspieler sieht man auf dem großen Plakat für den Film Meine Frau, die Hochstaplerin aus dem Jahr 1930 als zweiten männlichen Hauptdarsteller neben Heinz Rühmann. Und man erlebt ein rares Bilddokument: Karl Kraus rezitiert weitgehend humorlos einen Anti-Kriegs-Text.
Darauf folgt »Lachen im Angesicht des Todes«: Kabarett in NS-Deutschland und im KZ, ergänzt um Seitenblicke auf jüdische Kabarettisten im englischen und amerikanischen Exil und jüdischen Humor im österreichischen Ständestaat. Programmatisch überschrieben ist der nächste Raum: »Wiederaufbau ohne Jude – Österreich«. Zentrales Objekt für die Zeit nach 1945: ein Ausschnitt aus dem Monolog Der Herr Karl mit Helmut Qualtinger.
Drumherum gruppiert: Werbeplakate für Georg Kreisler, TV-Sketche mit Karl Farkas. Das »Lachen nach der Schoa«, vorgeführt anhand von George Tabori, Dani Levy, dem Comedian Oliver Polak und dem Schriftsteller Jurek Becker, bildet dann neben einer recht kursorischen Präsentation von Humor in Israel das pointilistische Finale auf Ebene Eins.
Verzettelt Die Fortsetzung eine Treppe höher ist Einzelpersonen gewidmet. Doch offenkundig war die Materialsammlung zu überbordend. So ähnelt dieser Saal einem vollgestopften Abstellraum, in dem schmale Aufsteller mit knappem Text Mel Brooks und Woody Allen, der Wiener Kabarettleiterin Stella Kadmon, Barbra Streisand, Sacha Baron Cohen, Joel und Ethan Coen, Kurt Tucholsky, Scholem Alejchem, dem Wiener Klavierhumoristen Hermann Leopoldi, Billy Wilder, den Marx-Brothers, Walter Trier, Peter Sellers, Friedrich Hollaender und Comiczeichnern wie Jerry Siegel und Joann Sfar gewidmet sind.
Diese Liberalität ist unfokussiert – denn was verbindet die 1876 in Berlin geborene und 1937 in Wien verstorbene Kabarettistin und Chansonnière Rosa Valetti mit Jerry Lewis, was den virtuosen Danny Kaye mit Fran Drescher? –, sodass der rote Faden hier nahezu verloren geht.
Hinzu kommt das etwas lieblose Arrangement, ist der Saal doch eher ein kleiner Hörsaal. Auf der Stirnwand läuft ein Film, in dem der Wiener Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg zusammen mit zwei Bekannten jüdische Witze erzählt. Zum Beispiel diesen, wie gemacht für jüngste Vorgänge in Rom: Der neu gewählte Papst empfängt den römischen Rabbi.
Seit Jahrhunderten übergibt der Rabbi dabei dem Oberhaupt der Katholiken einen Briefumschlag. Der Papst öffnet das Kuvert, liest kurz, was darin geschrieben steht, schüttelt den Kopf und gibt es dann der Tradition entsprechend wieder zurück. Irgendwann wird es den Zusehern zu dumm, sie wollen endlich wissen, was denn nun darin steht. Die Antwort des Papstes: »Die Rechnung vom Letzten Abendmahl.«
»Alle meschugge? Jüdischer Witz und Humor«, Jüdisches Museum Wien, bis 8. September. Der Begleitkatalog ist im Amalthea-Verlag erschienen.
www.jmw.at