Herr Kosky, heute beginnt in der Komischen Oper Berlin die Kurt-Weill-Woche. Was erwartet die Besucher?
Zum ersten Highlight gehört die konzertante Aufführung von Weills grandioser Operette Der Kuhhandel. Ein absolut schräges Stück, das er 1934 im Pariser Exil schrieb. Sieben Songs/Die sieben Todsünden, gesungen und getanzt von der fabelhaften Schauspielerin Dagmar Manzel, ist ebenfalls ein absolutes Muss. Dann ist Noëmi Nadelmann in Weills und Brechts Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny zu sehen. Ein richtiger Kracher ist natürlich auch der Konzertabend mit Ute Lemper.
Sie haben nicht nur die berühmten Werke von Weill ins Programm mit aufgenommen, sondern auch mehrere unbekannte. Warum?
Weil die Stücke, die er im amerikanischen Exil geschrieben hatte, nach wie vor unterschätzt werden. Das hat meiner Ansicht nach mit dem alten deutschen Snobismus zu tun. Viele denken immer noch, Weills wichtigste Stücke müssten zwangsläufig in Deutschland entstanden sein. Welch ein Irrtum!
Was macht die Faszination Weills bis heute aus?
Da gibt es mehrere Gründe. Das Spektrum von Musik, das er abdeckte, ist ungemein groß. Er hat Kammermusik geschrieben, Symphonien, fürs Ballett und für die Oper. Für mich ist er einer der wichtigsten deutschen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Er hat diese ungemeine Vielseitigkeit. Der rote Faden, der dabei alle seine Werke durchzieht und immer gleich ist, ist das jüdische Element.
Inwiefern?
Weills Vater war Kantor, das hört man in fast jedem seiner Stücke. Er hat all diese Lieder seines Vaters von Kind an gehört, sie haben ihn geprägt. Diese jüdische Farbe ist aber eine ganz andere als etwa die von Komponisten wie Emmerich Kálmán oder Paul Abraham. Sie schrieben fast schon jüdische Volksmusik mit Klezmer- und Zigeuner-Einflüssen. Weills Musik hingegen ist sehr melodisch und melancholisch.
Als Sie vor rund vier Monaten Intendant der Komischen Oper Berlin wurden, haben Sie angekündigt, die jüdische Operettentradition nach Berlin zurückzuholen. Folgen der Weill-Woche noch andere Themenreihen zu jüdischen Komponisten?
Die Aufführung Emerich Kálmáns Operette Die Bajadere im Dezember bildete den Auftakt zu einer Trilogie, die die Komische Oper Berlin in dieser Spielzeit jüdischen Komponisten widmet. Die Bajadere hatte ihre deutsche Erstaufführung vor 90 Jahren hier im Haus. Die Kurt-Weill-Woche ist nun die zweite Etappe. Und im Juni spielen wir Paul Abrahams Operette Ball im Savoy zum ersten Mal seit der Uraufführung im Jahr 1923 hier in Berlin. Paul Abraham war ein ungarisch-deutscher Komponist, dessen Exil sehr tragisch endete. Ich fühle mich verpflichtet, diese Geschichten zurückzuholen.
Weshalb?
Ihre Musik soll hier wieder gespielt und gehört werden, wo sie einst gelebt und gewirkt haben. Diese Werke sind quasi musikalische Metaphern für das Leben im Exil. Obgleich das jüdische Leben langsam wieder nach Deutschland zurückkehrt, wird es leider nie wieder die Bedeutung erlangen, die es in der deutschen Kultur der 20er- und 30er-Jahre einnahm. Der Schwerpunkt an der Komischen Oper Berlin ist dem gewidmet, was verloren gegangen ist und nicht mehr zurückkehren wird.
Mit dem Intendanten der Komischen Oper Berlin sprach Philipp Peyman Engel.
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Mehr Informationen zur Kurt-Weill-Woche unter:
www.komische-oper-berlin.de/festivals/kurt-weill-woche