Wuligers Woche

Wie hast du’s mit der Annexion?

Foto: Getty Images

Es geht schon los. Der erste Bekannte hat mich Montagfrüh gefragt, was ich von der angekündigten israelischen Eingliederung von Teilen des Westjordanlandes halte. »Gefragt« ist allerdings nicht wirklich das passende Verb. »Bedrängt« würde besser passen. »Das willst du doch nicht gutheißen, oder?«, hatte er hinzugefügt. Womit sofort klargestellt war, welche Antwort die einzig zulässige sein durfte.

KOMPLIZIERT Ich werde nicht der und die Einzige sein, dem das in diesen Tagen so oder ähnlich widerfährt. Wann immer in Israel etwas passiert, das hierzulande zum Problem erklärt wird, wird unsereiner unter Bekenntniszwang gesetzt. Ob Gaza-Kriege, Siedlungsausbau und jetzt Annexion: Von Juden wird verlangt, Stellung zu beziehen, selbstredend im Sinn des hier herrschenden Konsenses, sprich: kritisch.

Ausflüchte wie »Das ist ein kompliziertes Thema« oder »Ich habe mich damit noch nicht wirklich beschäftigt« helfen da nicht. Im Gegenteil, sie gießen Öl ins Feuer. »Es geht um die Zukunft des Friedensprozesses. Das kannst du nicht einfach ignorieren!«

Dann werden als leuchtende Gegenbeispiele Israelis angeführt, die sich klar – und im Sinn des Fragestellers richtig – positioniert haben: 56 ehemalige israelische Minister und Abgeordnete, 300 ehemalige hohe Offiziere und Geheimdienstchefs, die gegen eine Annexion sind. »Oder bist du etwa Netanjahu-Anhänger?«

Ausflüchte wie »Das ist ein kompliziertes Thema« oder »Ich habe mich damit noch nicht wirklich beschäftigt« helfen nicht.

Etwas Schlimmeres kann man in Deutschland jemandem kaum unterstellen. Höchstens noch: »Du stehst doch nicht etwa aufseiten der Siedler?« Genauso gut könnte man sich als praktizierender Kannibale outen.

DRUCK Moralischer Druck gehört bei dieser Art von Unterhaltung immer auch dazu. »Ich habe Israel stets verteidigt, auch wenn’s mir manchmal sehr, sehr schwer fiel. Aber an diesem Punkt kann ich das nicht mehr!« Wobei sich das noch steigern lässt: »Ich beginne allmählich, die Palästinenser zu verstehen. Ihr lasst denen auch gar keine andere Wahl als Terrorismus.«

Manchmal fließt auch eine Art fürsorgliche Drohung mit ein: »Mit solchen Maßnahmen heizen die Israelis nur den Antisemitismus hier weiter an. Am Ende seid ihr es, die darunter leiden müssen.« Und wenn das alles nichts fruchtet, gibt es immer noch das menschliche Mitgefühl: »Ich verstehe ja, dass du dich nicht offen äußern kannst. Der Druck in eurer Community muss immens sein.«

Ein Entkommen gibt es nicht. Spätestens wenn in den nächsten Tagen der Bundestag seine parteiübergreifende Resolution gegen die Annexion verabschiedet, werden Deutschlands Juden, ob sie es wollen oder nicht, das Thema aufgetischt bekommen: die Prominenten von den Medien, die anderen am Arbeitsplatz, im Freundeskreis und bei Facebook. Es bleibt nur eine kleine Hoffnung. Aktuell steigt die Corona-Reproduktionsrate stark an. Womöglich kriegen wir bald eine zweite Infektionswelle und einen neuen Lockdown mit Kontaktverbot für mindestens vier Wochen. Wenn die vorbei sind, wird auch die Annexion vergessen sein.

Bochum

Gil Ofarim kündigt Konzert an

Gerade erst zeigte er sich geläutert - nun kündigt er neue Pläne an

 22.11.2024

Den Haag

Der Bankrott des Internationalen Strafgerichtshofs

Dem ICC und Chefankläger Karim Khan sind im politischen und juristischen Kampf gegen Israel jedes Mittel recht - selbst wenn es unrecht ist. Ein Kommentar

von Daniel Neumann  22.11.2024

Saarbrücken

Moderne Galerie zeigt Illustrationen von Marc Chagall

Die Schau »Marc Chagall. Die heilige Schrift« ist bis zum 25. April 2025 zu sehen

 21.11.2024

Fußball

Neuer wackelt: Plötzliche Chance für Peretz im Bayern-Tor?

Manuel Neuer plagt »ein Stechen im Rippenbereich« und Sven Ulrteich fällt vorerst aus persönlichen Gründen aus

 21.11.2024

Gut besucht: die Konferenz in Berlin

Zionismus-Tagung

Vom Recht auf einen souveränen Staat

In Berlin diskutieren Referenten und Teilnehmer aus Deutschland und Israel verschiedene Aspekte

von Detlef David Kauschke  21.11.2024

Veranstaltungen

Sehen. Hören. Hingehen.

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 21. November bis zum 28. November

 21.11.2024

Liedermacher

Wolf Biermann: Ein gutes Lied ist zeitlos gut

Er irre sich zuweilen, gehöre habe nicht zu den »irrsten Irrern«, sagt der Liedermacher

 21.11.2024

Nachruf

Meister des Figurativen

Mit Frank Auerbach hat die Welt einen der bedeutendsten Künstler der Nachkriegsmoderne verloren

von Sebastian C. Strenger  21.11.2024

Berlin

Ausstellung zu Nan Goldin: Gaza-Haltung sorgt für Streit

Eine Ausstellung würdigt das Lebenswerk der Künstlerin. Vor der Eröffnung entbrennt eine Debatte

von Sabrina Szameitat  21.11.2024