Herr Harris, Sie haben mit »StorySocial« eine Platform für Storytelling geschaffen. Worum genau handelt es sich dabei?
Nun, manche sagen, dass Storytelling wahrscheinlich eine der ältesten Traditionen der Welt ist. Es geht hauptsächlich darum, wie wir unsere Kultur weitergeben. Die Art, wie wir erzählen hat sich über die Jahrhunderte verändert. Wir vermitteln Botschaften mithilfe von 140 Zeichen. Die Grundzüge des Storytelling verstecken sich überall: In Werbebotschaften zum Beispiel.
Wie haben Sie angefangen?
Ich hatte eine Panikattacke in einem dieser Yuppi-Supermärkte, in denen es fünf Sorten Tomaten gibt. Ich stand also da in meinem Anzug mit meiner Yoga-Matte und schaute mich um. Wir waren alle gleich: gut ausgebildet, Mittzwanziger und eigentlich kannten wir uns kaum. Ich musste da raus. Auf dem Weg nach Hause beschloss ich, dass ich jeden Tag einen fremden Menschen interviewen werde. Sie sollten mir etwas von sich erzählen, warum sie in Washington sind etc.
Wie haben die Leute darauf reagiert?
Einige waren sehr offen, einige weniger. Es war beispielsweise erstaunlich, mit einem Müllmann während seiner Mittagspause zu sprechen. Wie oft fragt man schon einen Busfahrer oder einen Müllmann danach, was genau er tut, wie sein Leben ist und seine Geschichte. Das waren unheimlich bereichernde Momente.
Was ist denn jüdisch am Storytelling?
So viel. Es liegt im Wesen des Judentums. Wenn man zum Beispiel an Feiertage wie Pessach denkt: Alle sitzen beisammen und man hört die Familiengeschichten, die Erfahrung der Einwanderung oder man nimmt eine alte Erzählung und trägt diese ins Heute. Es gibt immer Geschichten und Erzählungen, die sie miteinander verbinden.
Erinnern Sie sich an eine Geschichte, die Sie sehr berührt hat?
Ich mache das mittlerweile so lange, dass ich mich beinahe wie ein Elternteil fühle, der sich zwischen seinen Kinder entscheiden muss. Lassen Sie es mich so sagen. Wenn man Menschen fragt, werden sie auch antworten. Ich habe wildfremde Menschen angesprochen und sie haben mich nach Hause eingeladen, ich habe mit ihnen Tee getrunken. Das waren tolle Momente. Das Erzählen hilft Menschen und es wirkt sich positiv auf sie aus.
Ist den Storytelling modern?
Heutzutage ist es angesagt, viele kleine Information zu posten. 90 Prozent der Dinge, die Menschen auf Facebook oder Twitter teilen, sind: »Hier ist ein neues Foto meiner Katze.« Man kann jede Sekunde Dinge posten, aber wir sollten auch daran denken, was man über uns erzählen wird. Werden wir eine Generation der Katzenfoto-postenden Menschen sein oder wird man sich an uns als eine Generation erinnern, die Dinge grundlegend verändert hat?
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