Er sei ein begabter Kerl, habe ganz das Zeug, zu einer eigenen Art zu kommen, schrieb 1929 der Kunstkritiker Paul Westheim über den damals 25-jährigen Maler Felix Nussbaum. Was er damit meinte, können Interessierte jetzt in der Digitalen Kunsthalle des ZDF herausfinden.
Kontext 40 Exponate sind in der virtuellen Ausstellung Felix Nussbaum – Leben und Werk zu sehen. Per Mausklick können Besucher Zusatzinformationen abrufen, die die Gemälde in einen biografischen und zeitgeschichtlichen Kontext stellen. Ergänzt wird die Präsentation durch einen vom ZDF für dieses Projekt produzierten Dokumentarfilm: ein Porträt über Auguste Moses-Nussbaum, die heute 95-jährige Cousine des Künstlers.
Entstanden ist die Ausstellung in Kooperation mit dem Felix-Nussbaum-Haus im Museumsquartier Osnabrück. Seit Mai habe er mit der dort zuständigen Kuratorin Anne Sibylle Schwetter an dem Projekt gearbeitet, sagt ZDF-Redakteur Ralf Schmitz. »Weit über 100 Werke standen zur Verfügung, da musste eine Auswahl getroffen werden.« Außerdem waren Fragen zu Raum- und Hängekonzept zu entscheiden. In vier Raummodulen kann der Besucher nun erfahren, wer Felix Nussbaum war, was er gemacht hat und warum er gemalt hat.
FLUCHT Geboren 1904, entstammte er einer gutbürgerlichen Kaufmannsfamilie aus Osnabrück, die seine künstlerischen Ambitionen unterstützte. 1924 schrieb er sich für ein Studium in Berlin ein; bereits wenige Jahre später hatte er sich in der Kunstszene einen Namen gemacht.
Auf die erfolgreichen frühen Jahre folgten ein Dasein auf der Flucht und ein dramatisches, viel zu frühes Ende. 1932, Nussbaum hielt sich gerade als Stipendiat der Villa Massimo in Rom auf, wurden bei einem Brand in seinem Berliner Atelier sämtliche seiner bisherigen Werke vernichtet. Nach der Machtübernahme der Nazis 1933 beschlossen er und seine ebenfalls jüdische Lebensgefährtin Felka Platek, nicht nach Deutschland zurückzukehren. Über die Schweiz und Frankreich gelangten sie 1935 nach Belgien.
Beharrlich malte er weiter: eindringliche Selbstporträts und Figurendarstellungen, anspielungsreiche Stillleben und geheimnisvolle Szenen.
Immer wieder ohne feste Bleibe, ohnmächtig angesichts der politischen Entwicklungen und weitgehend abgeschnitten vom Austausch mit Künstlerkollegen, ließ sich Nussbaum dennoch nicht in die Opferrolle drängen. Beharrlich malte er weiter: eindringliche Selbstporträts und Figurendarstellungen, anspielungsreiche Stillleben und geheimnisvolle Szenen.
Wie ein Tagebuch begleiten seine symbolisch aufgeladenen Werke das Leben im Exil und – nach dem Einmarsch der deutschen Truppen 1940 in Belgien – in einem Versteck. Sie erzählen von Angst und Selbstbehauptung. Am 20. Juni 1944 wurden Felix Nussbaum und Felka Platek aufgrund einer Denunziation verhaftet, am 31. Juli über das Sammellager Mechelen nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
NACHLASS Das Felix-Nussbaum-Haus beherbergt heute die weltweit größte Sammlung des Künstlers. Auguste Moses-Nussbaum sorgte dafür, dass sein Nachlass 1970 aus Belgien in seine Heimatstadt verbracht wurde. Das sei keine einfache Entscheidung gewesen, sagt Ralf Schmitz. Wären die Werke in Israel womöglich besser aufgehoben? Die Cousine befinde sich deshalb bis heute im Zwiespalt.
»Wenn ich untergehe, lasst meine Bilder nicht sterben – zeigt sie den Menschen«, soll Felix Nussbaum einmal gesagt haben. Die Digitale Kunsthalle kommt diesem Wunsch nun nach. Ortsunabhängig hat jeder die Möglichkeit, das Leben und Werk Felix Nussbaums kennenzulernen, einzutauchen in seine ausdrucksstarken Gemälde, in denen Kunsthistoriker Elemente des Expressionismus, der Neuen Sachlichkeit und des Surrealismus ausmachen.
Mindestens acht Wochen werde die Ausstellung online sein, sagt Ralf Schmitz, »eine Verlängerung ist wahrscheinlich«. Nussbaum habe bisher wenig im Fokus der Öffentlichkeit gestanden, das könne sich jetzt ändern. Zu wünschen wäre es, denn seine bewegende Geschichte und seine künstlerischen wie historisch wertvollen Gemälde sind aktuell und brisant.