Deutsch ist mitunter nicht immer die eleganteste Sprache. Ein Beispiel gefällig? Erkundigt man sich etwa bei dem Gegenüber, ob er »noch ganz bei Verstand« sei, kann das ziemlich gestelzt rüberkommen. Benutzt man stattdessen das Wort »meschugge«, klingt es vielleicht plötzlich lässig und pointiert.
Es sind Wörter wie Tacheles, malochen oder das oben erwähnte meschugge, die heutzutage als Lehnwörter einen festen Platz in der deutschen Sprache haben. Sie werden etwa benutzt, wenn man unverkrampft wirken will oder eben herkömmliche Formulierungen zu sehr nach Beamtendeutsch klingen. Aber woher stammen diese Wörter überhaupt?
HERKUNFT Auf den ersten Blick sehe man ihnen die Herkunft gar nicht unbedingt an, erklärt Buchautor und Journalist Ronen Steinke im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. »Die heutige deutsche Sprache ist gesprenkelt mit einer großen Menge an jiddischen Lehnwörtern«.
Bekannt kommen uns die Wörter laut Steinke vor, weil ihr Klang dem Hochdeutschen »sehr ähnlich ist - anders als zum Beispiel bei Anglizismen, die sofort auffallen.«
Laut Zentralrat der Juden war Jiddisch ursprünglich eine Sprache der Juden in und aus Osteuropa. Gepflegt werde Jiddisch heutzutage vor allem von Holocaust-Überlebenden, orthodoxen Juden und Auswanderern.
Bei manchen jiddischen Worten ist Vorsicht geboten, warnt Ronen Steinke.
Die Verbreitung der Sprache ist laut Steinke vor allem mit Flucht vor Verfolgung verbunden. Durch die Ermordung von Juden während der Schoa ist die Sprachgemeinschaft kleiner geworden, wie der Zentralrat betont.
Auch bekannte Schriftsteller benutzten die Sprache. Der aus Warschau stammende Literaturnobelpreisträger Isaac B. Singer (»Die Familie Moschkat«) schrieb seine Werke stets auf Jiddisch. Das bekannte Musical »Anatevka« basiert auf dem jiddischen Roman »Tewje, der Milchmann« von Scholem Alejchem.
KOMPLIMENT Wie viele jiddische Lehnwörter es im Deutschen ungefähr gibt - da kann ein Blick in die Online-Ausgabe des Dudens helfen: Insgesamt gibt es dort nach Verlagsangaben rund 250 000 Stichwörter. Aus dem Jiddischen stammen demnach etwa 120 Wörter.
»Es ist ein Kompliment an eine Sprache, wenn man von dort ein Wort entlehnt, weil man es besonders prägnant oder charmant findet«, sagt Steinke. Die Beispiele reichen noch weiter. Etwa der Ganove oder das Adjektiv angeschickert kommen aus dem Jiddischen.
Bei manchen Worten ist jedoch Vorsicht geboten, wie der Journalist warnt. »Eine Reihe von jiddischen Begriffen wird heute von nichtjüdischen Deutschen mit einer leicht verdrehten Bedeutung verwendet«.
Zum Beispiel das Wort Mischpoke: Auf das hebräische Wort Mischpacha zurückgehend, bedeutet es im Jiddischen Familie. Hierzulande werde es aber, so Steinke, eher als Bezeichnung für eine »dubiose Gruppe« verwendet.
BILD »Hier hat ein bestimmtes negatives Bild, das deutsch-sprechende Menschen einst von Jüdinnen und Juden hatten, auf ihren Sprachgebrauch abgefärbt. Und das wirkt bis heute«, sagt Steinke, der im Duden-Verlag ein Buch mit dem Titel »Antisemitismus in der Sprache« veröffentlicht hat.
Die Reflexion über den Sprachgebrauch zeichnet die Kultur aus, sagt Alexander Lasch.
Ein vergleichbarer Fall ist Steinke zufolge das Wort Mauscheln. Selbst in Medienberichten werde es heutzutage noch benutzt, um etwa geheimnisvolles Handeln zu beschreiben.
Dabei ist Mauschel lediglich die jiddische Form des jüdischen Vornamens Moses, wie Steinke betont. Im 17. Jahrhundert habe es sich dann eingebürgert, das Wort für arme Juden zu benutzen.
»Aus Mauschel wurde auch ein Verb, mauscheln, was abfällig gemeint war und bedeutete: reden wie ein Jude«, so Steinke. Heutige Journalisten und Journalistinnen wüssten womöglich nicht mal, was sie für ein Wort benutzen würden, wenn sie schrieben, dass es »Mauschelei bei der Bankenfusion« gegeben habe. »Aber eigentlich verbietet sich das Wort«, betont er.
REFLEXION Die Reflexion über den Sprachgebrauch zeichnet nach Einschätzung des Linguisten Alexander Lasch die Kultur aus. Wenn sich eine Gruppe negativ bewertet fühle, müsse man das ernst nehmen, so der Studiendekan der Fakultät Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften an der TU Dresden. Vergleichbare Debatten gebe es etwa bei der Diskussion um gendergerechte Sprache.
Steinke setzt sich dafür ein, dass auf den antisemitischen Hintergrund der Begriffe hingewiesen wird. Vor allem Journalisten sollen seinen Worten nach eigene Texte mehr hinterfragen, weil ihr Sprachgebrauch letztlich stilbildend sei.
Bei korrekter Verwendung biete Jiddisch besonders prägnante, charmante Wörter. »Man denke an die Chuzpe: Das bedeutet nichts anderes als Dreistigkeit, Schlitzohrigkeit, klingt aber lustiger.« Das tue dem Deutschen gut, betont der Buchautor.