Medien

Weltblatt weiblich

Gilt als tough: Jill Abramson Foto: nmag

Sie ist die erste Jüdin, die eine große amerikanische Zeitung leitet: Jill Abramson, gebürtige New Yorkerin, übernimmt im September die Chefredaktion der New York Times. Sie ist die erste Frau an der Spitze in den 160 Jahren des Bestehens der Zeitung. Adolph Ochs, der das Blatt 1896 gekauft hatte, hatte noch seiner Tochter Iphigenie verboten, Reporterin zu werden; er vererbte das Blatt lieber an seinen Schwiegersohn Arthur Hays Sulzberger.

Der stellte 1936 mit Anne O’Hare McCormick die erste Redakteurin und Kommentatorin ein. Abramson machte unter dem jetzigen Verleger Arthur Sulzberger jr. Karriere, dem der männliche Chauvinismus seines Urgroßvaters fremd ist – er berief mit Janet Robinson auch die erste weibliche Aufsichtsratsvorsitzende der New York Times Company. Robinson tituliert die neue Chefredakteurin als »Schwester«.

ersatzreligion Vorbereitet auf die neue Aufgabe hat sich Abramson quasi von Kindheit an. »Die Times war bei uns zu Hause der Ersatz für Religion«, sagte sie, als Arthur Sulzberger jr. ihre Berufung bekannt gab. Für die Mutter der künftigen Chefredakteurin war besonders das Kreuzworträtsel heilig. »Wir durften das Magazin erst lesen, nachdem sie das Rätsel gelöst hatte.«

Abramson, die auf Bill Keller folgt, hat den Ruf, tough zu sein: Als sie vor drei Jahren von einem Lastwagen angefahren wurde, koordinierte sie vom Krankenhaus aus Berichte über den Times-Hauptkonkurrenten Rupert Murdoch. Die 57-Jährige wuchs in New Yorks Upper West Side auf und besuchte im Villenvorort Riverdale die bei wohlhabenden jüdischen Eltern beliebte Privatschule Fieldston.

Dabei gehörte Abramsons Familie nicht zur Oberschicht. Ihr Vater war Hutmacher. Die Chance, reich zu werden, hatte er verpasst, wie die Tochter sich erinnert: »MGM-Gründer Samuel Goldwyn hatte meinem Vater angeboten, bei seinem neuen Filmstudio einzusteigen. Aber mein Vater hat das abgelehnt – er sagte, diese bewegten Bilder seien bloß eine vorübergehende Mode, aber Damen würden immer Hüte tragen.«

tattoo Jill Abramson studierte an der Elite-Universität Harvard, arbeitete für den Fernsehsender NBC und mehrere juristische Fachzeitschriften – eine davon leitete sie mit 31 Jahren. Sie ging dann zum Wall Street Journal, zuletzt war sie stellvertretende Chefin von dessen Washingtoner Büro. 1997 wechselte die Journalistin zur New York Times, ihrem »Walhalla«, wie sie sagt.

Zunächst war Abramson investigative Reporterin in Washington während der Clinton-Präsidentschaft. Sie wurde Büroleiterin, als die USA in den zweiten Irakkrieg zogen und Judith Miller über Saddams angebliche Massenvernichtungswaffen schrieb – was Abramson bis heute bedauert, aber »Judy war nicht zu stoppen«. 2003, als sie zurück nach New York ging, ließ sie sich eine U-Bahn-Wertmarke auf die rechte Schulter tätowieren, um ihre Verbundenheit mit der Stadt zu demonstrieren. In den vergangenen sechs Monaten hat sie den neuen, kostenpflichtigen Online-Auftritt der Times entwickelt, der bisher etwas mehr als 100.000 zahlende Nutzer gewonnen hat.

Die erste Frau an der Spitze der Times ist Abramson. Aber nicht das erste jüdische Gesicht. Das war der vor ein paar Jahren verstorbene A. M. Rosenthal, der 1969 das Amt antrat, gefolgt von Josef Lelyveld und Max Frankel, der als Kind aus Nazideutschland floh. Rosenthals Berufung galt damals als gewaltiger Fortschritt. In den 30er- und 40er-Jahren hatte das von einer jüdischen Familie verlegte Blatt aus Angst vor Antisemitismus nicht einmal die Namen jüdisch klingender Redakteure über deren Artikel gedruckt.

Die neue Chefin wird viel zu tun haben. Zwar hat sich die Times vom Tiefpunkt des vorigen Jahres etwas erholt, als über hundert Redakteure entlassen wurden und der mexikanische Milliardär Carlos Slim als Nothelfer geholt wurde. Aber angeschlagen ist das Traditionsblatt immer noch. Mehrere wichtige Köpfe sind gegangen, darunter Adam Moss, der Chef des Magazins, und der Kolumnist Frank Rich. Viele hoffen nun, dass Abramsons Walhalla keine Götterdämmerung erlebt.

Antisemitismus

Gert Rosenthal: »Würde nicht mit Kippa durch Neukölln laufen«

Die Bedrohung durch Antisemitismus belastet viele Jüdinnen und Juden. Auch Gert Rosenthal sieht die Situation kritisch - und erläutert, welche Rolle sein Vater, der Entertainer Hans Rosenthal, heute spielen würde

 01.04.2025

Berlin

Hans Rosenthal entdeckte Show-Ideen in Fabriken

Zum 100. Geburtstag des jüdischen Entertainers erzählen seine Kinder über die Pläne, die er vor seinem Tod noch hatte. Ein »Dalli Dalli«-Nachfolger lag schon in der Schublade

von Christof Bock  01.04.2025

Künstliches Comeback

Deutschlandfunk lässt Hans Rosenthal wiederaufleben

Der Moderator ist bereits 1987 verstorben, doch nun soll seine Stimme wieder im Radio erklingen – dank KI

 01.04.2025

Interview

Günther Jauch: »Hans Rosenthal war ein Idol meiner Kindheit«

Der TV-Moderator über den legendären jüdischen Showmaster und seinen eigenen Auftritt bei »Dalli Dalli« vor 42 Jahren

von Michael Thaidigsmann  01.04.2025

Jubiläum

Immer auf dem Sprung

Der Mann flitzte förmlich zu schmissigen Big-Band-Klängen auf die Bühne. »Tempo ist unsere Devise«, so Hans Rosenthal bei der Premiere von »Dalli Dalli«. Das TV-Ratespiel bleibt nicht sein einziges Vermächtnis

von Joachim Heinz  01.04.2025

TV-Legende

Rosenthal-Spielfilm: Vom versteckten Juden zum Publikumsliebling

»Zwei Leben in Deutschland«, so der Titel seiner Autobiografie, hat Hans Rosenthal gelebt: Als von den Nazis verfolgter Jude und später als erfolgreicher Showmaster. Ein Spielfilm spürt diesem Zwiespalt nun gekonnt nach

von Katharina Zeckau  01.04.2025

Geschichte

»Der ist auch a Jid«

Vor 54 Jahren lief Hans Rosenthals »Dalli Dalli« zum ersten Mal im Fernsehen. Unser Autor erinnert sich daran, wie wichtig die Sendung für die junge Bundesrepublik und deutsche Juden war

von Lorenz S. Beckhardt  01.04.2025 Aktualisiert

Hans Rosenthal

»Zunächst wurde er von den Deutschen verfolgt - dann bejubelt«

Er überlebte den Holocaust als versteckter Jude, als Quizmaster liebte ihn Deutschland: Hans Rosenthal. Seine Kinder sprechen über sein Vermächtnis und die Erinnerung an ihren Vater

von Katharina Zeckau  01.04.2025

TV-Spielfilm

ARD dreht prominent besetztes Dokudrama zu Nürnberger Prozessen

Nazi-Kriegsverbrecher und Holocaust-Überlebende in einem weltbewegenden Prozess: Zum 80. Jahrestag dreht die ARD ein Drama über die Nürnberger Prozesse - aus der Sicht zweier junger Überlebender

 01.04.2025