Memoiren

Weihnachten mit Dylan

Dylan, es geht immer nur um Dylan. Um das Werden des Genies mit der Knödelstimme, das zum Weltstar wurde. Des jüdischen Mittelschichtenjungen, der alles in sich aufsog und es zu bis heute einzigartiger Kunst verarbeitete.

muse Dieser Dylan ist das Lebensproblem von Suze Rotolo, denn die heute 67-jährige Frau war von ihrem 17. bis zu ihrem 20. Lebensjahr mit dem Musiker zusammen, und wenn sie überhaupt irgendeine Weltberühmtheit besitzt, dann die, die Frau auf dem Plattencover von »The Freewheelin‹ Bob Dylan« (1963) zu sein. Entsprechend fällt die bisherige Rotolo-Rezeption aus: Der deutsche Autor Carl-Ludwig Richter etwa nennt sie »Muse, Erdmutter und Leibwächterin«, und der deutsche Dylan-Biograf Willi Winkler glaubt, Dylan habe sich nicht in Rotolo verliebt, sondern nur in die »gewaltige Plattensammlung« von deren Eltern.

Wenn Journalisten etwas von Suze Rotolo wollen, dann fragen sie nur nach Dylan. (Willi Winkler, by the way, gehört nicht dazu. Der hat sie nicht gefragt und deswegen nicht herausgefunden, dass die Plattensammlung klein, der Vater schon längst tot war und dass weder Suze Rotolos Mutter noch ihre Schwester Dylan leiden konnten.)

Nun hat Suze Rotolo ihre Autobiografie geschrieben, und selbstredend wird sie fast nur von den Dylanologen zur Kenntnis genommen. Dabei hat sie ein wunderbares Buch vorgelegt, das sehr souverän von einer jungen Frau handelt, deren Eltern als italienische Kommunisten in den USA einen schweren Stand hatten. Vom Versuch, im von Folkclubs geprägten Milieu des New Yorker Künstlerviertels Greenwich Village eine eigene kreative Entwicklung zu beginnen. Und von den Schwierigkeiten als Frau im ach so alternativen Milieu in vorfeministischer Zeit.

greenwich village Die Souveränität behält Rotolo auch bei, wenn sie über Dylan schreibt: über die Eitelkeit des Künstlers, die ihn so lange vor dem Spiegel stehen ließ, bis seine Klamotten auch wirklich perfekt abgeranzt aussahen; wie Rotolo ihm Brecht, Rimbaud und Picasso nahebrachte. Oder darüber, dass Dylan darauf bestand, erst selbst Marihuana zu probieren, ehe auch Rotolo es testen durfte.

Noch mehr aber erfährt man in Rotolos Buch über Greenwich Village in den frühen 60er-Jahren: Wie etwa wurde die Kommunistenhysterie wahrgenommen? (Der Mann einer entfernten Verwandten, ein Soldat, bekam berufliche Schwierigkeiten, weil Rotolo mit Dylan zusammen war.) Welche Rolle spielte die kubanische Revolution? (Rotolo reiste illegal nach Havanna und traf dort Che Guevara.) Wie jüdisch war das Milieu, das Dylan prägte? (Das einzige religiöse Fest, das der Musiker feierte, war Weihnachten; Rotolo hingegen, die keine Jüdin ist, kellnerte in einem Kosher-Deli, von dessen völlig unkoscheren Zuständen sie niemandem erzählen durfte.)

Das mögen keine großen Enthüllungen sein, aber sie helfen doch, dieses für Dylan so prägende Milieu zu verstehen. Das hat nämlich außer Bob Dylan auch Hippies wie Jerry Rubin (der als stiller, fleißiger jüdischer Student bei der Kuba-Reise nervige Fragen stellte) und Künstler wie Andy Warhol (der sich schon früh freute, wenn Dylan ihn schlecht behandelte möglich gemacht. Und natürlich Suze Rotolo, die heute wirklich schöne Papierkunst herstellt, die sehen kann, wer sich ausnahmsweise nicht für Dylan interessiert.

Suze Rotolo: »Als sich die Zeiten zu ändern begannen. Erinnerungen an Greenwich Village in den Sechzigern«. Parthas, Berlin 2010, 375 S., 24 €

Bochum

Gil Ofarim kündigt Konzert an

Gerade erst zeigte er sich geläutert - nun kündigt er neue Pläne an

 22.11.2024

Den Haag

Der Bankrott des Internationalen Strafgerichtshofs

Dem ICC und Chefankläger Karim Khan sind im politischen und juristischen Kampf gegen Israel jedes Mittel recht - selbst wenn es unrecht ist. Ein Kommentar

von Daniel Neumann  22.11.2024

Saarbrücken

Moderne Galerie zeigt Illustrationen von Marc Chagall

Die Schau »Marc Chagall. Die heilige Schrift« ist bis zum 25. April 2025 zu sehen

 21.11.2024

Fußball

Neuer wackelt: Plötzliche Chance für Peretz im Bayern-Tor?

Manuel Neuer plagt »ein Stechen im Rippenbereich« und Sven Ulrteich fällt vorerst aus persönlichen Gründen aus

 21.11.2024

Gut besucht: die Konferenz in Berlin

Zionismus-Tagung

Vom Recht auf einen souveränen Staat

In Berlin diskutieren Referenten und Teilnehmer aus Deutschland und Israel verschiedene Aspekte

von Detlef David Kauschke  21.11.2024

Veranstaltungen

Sehen. Hören. Hingehen.

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 21. November bis zum 28. November

 21.11.2024

Liedermacher

Wolf Biermann: Ein gutes Lied ist zeitlos gut

Er irre sich zuweilen, gehöre habe nicht zu den »irrsten Irrern«, sagt der Liedermacher

 21.11.2024

Nachruf

Meister des Figurativen

Mit Frank Auerbach hat die Welt einen der bedeutendsten Künstler der Nachkriegsmoderne verloren

von Sebastian C. Strenger  21.11.2024

Berlin

Ausstellung zu Nan Goldin: Gaza-Haltung sorgt für Streit

Eine Ausstellung würdigt das Lebenswerk der Künstlerin. Vor der Eröffnung entbrennt eine Debatte

von Sabrina Szameitat  21.11.2024