»The Plot Against America«

Was wäre, wenn?

Szene aus »The Plot Against America« Foto: HBO/Sky

Vielleicht ist es – und wie traurig ist das denn! – immer dieselbe Geschichte, die Jüdinnen und Juden in jeder Diaspora, zu jedem historischen Zeitpunkt erzählen: die, in der der Hass gegen Juden (wieder) entbrennt, und die der darauf folgenden, unterschiedlichen Reaktionen.

Die einen fliehen schnell und die anderen nicht schnell genug, Assimilation versus Integration versus Abkapselung in der eigenen Gruppe, und wie die Möglichkeiten alle heißen. Vielleicht werden die Namen der Orte und der Protagonisten sich ändern, aber nicht der Plot an sich.

plot So einen Plot hatte auch der notorisch nobelpreisverdächtige amerikanische Schriftsteller Philip Roth vor Jahren schon entwickelt. Verschwörung gegen Amerika hieß der Roman auf Deutsch, in dem er einen alternativen fiktionalen Geschichtsverlauf entwickelte: Der Fliegerheld und Nazi-Sympathisant Charles Lindbergh wird 1940 anstelle von Roosevelt zum amerikanischen Präsidenten gewählt und weigert sich, in den Krieg in Europa einzuschreiten.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Aus dem Roman hat der Streamingdienst Sky nun eine sechsteilige Miniserie unter dem Titel The Plot Against America produziert, vielleicht, weil als Serien verfilmte Literaturstoffe gerade im Trend liegen, vielleicht auch, weil das Thema – ein um sich greifender Hass – so traurig aktuell ist.

Weil diese Geschichte schon so oft erzählt worden ist, in Worten, auf der Leinwand, in den Erzählungen der eigenen Familien, ist es, als würde man die Pro­tagonisten der Serie bereits kennen. Den nachrichtenbesessenen Familienvater, der amerikanischer Patriot ist, aber in Lindbergh den Nazi-Freund erkennt und um die Zukunft sowohl seiner Leute als auch seines Landes fürchtet. Den angeheirateten Rabbiner, der Lindbergh als jüdischer Berater begeistert zur Seite steht, von den eigenen Leuten teils als Verräter verschrien, weil er meint, dass Lindbergh nichts gegen Juden habe. Den wilden, aufmüpfigen Neffen, der loszieht, um an Kanadas Seite die Nazis in Europa zu bekämpfen, und alle anderen auch.

problem Vielleicht ist das das Problem dieser unter anderem mit Winona Ryder, John Turturro und Zoe Kazan exzellent besetzten Serie: Dass man meint, sie gesehen zu haben, obwohl das nicht der Fall ist, und vielleicht stehen die Protagonisten zu exemplarisch, zu gewollt, zu ausgestellt nebeneinander, tummeln und drängen sich in eine Familie, anhand derer die Geschichte ersponnen wird.

Sie alle, obwohl hervorragend gespielt und gut gezeichnet, stehen derart lehrreich für etwas, dass dieser süchtigmachende Serieneffekt – Das ist meine Familie! Wie geht es weiter mit ihr? – sich nicht durchgängig bei allen sechs Folgen einstellen kann. Und vielleicht ist es – und wie traurig ist das denn! – einfach ein Plot, den wir Juden viel zu gut kennen.

Die Serie läuft auf »sky«.

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt wie die von Sophie von der Tann sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  24.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  24.04.2025

Imanuels Interpreten (8)

Carly Simon: Das Phänomen

Die Sängerin und Songschreiberin mit jüdisch-deutschem Familienhintergrund führt ein filmreifes, aufregendes Leben – Verbindungen zu einer singenden Katze, einem rollenden Stein, zu Albert Einstein und James Bond inklusive

von Imanuel Marcus  24.04.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus  24.04.2025

Ausstellung

Das pralle prosaische Leben

Wie Moishe Shagal aus Ljosna bei Witebsk zur Weltmarke Marc Chagall wurde. In Düsseldorf ist das grandiose Frühwerk des Jahrhundertkünstlers zu sehen

von Eugen El  23.04.2025

27. Januar

Der unbekannte Held von Auschwitz

Der »Berufsverbrecher« Otto Küsel rettete Hunderten das Leben. In Polen ist er ein Held, in Deutschland fast unbekannt. Das will Sebastian Christ mit einem Buch ändern, für das er 20 Jahre lang recherchiert hat

 23.04.2025

Fernsehen

Ungeschminkte Innenansichten in den NS-Alltag

Lange lag der Fokus der NS-Aufarbeitung auf den Intensivtätern in Staat und Militär. Doch auch viele einfache Menschen folgten der Nazi-Ideologie teils begeistert, wie eine vierteilige ARD-Dokureihe eindrucksvoll zeigt

von Manfred Riepe  23.04.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Hochzeitsnächte und der Vorhang des Vergessens

von Margalit Edelstein  22.04.2025

Graphic Novel

Therese Giehse in fünf Akten

Barbara Yelins Comic-Biografie der Schauspielerin und Kabarettistin

von Michael Schleicher  22.04.2025