Erklärung

Was Kabbala mit Achtsamkeit zu tun hat

Balanceakt: Yoga auf dem Wasser Foto: Flash90

Als jüdischer Yogalehrer hat man es nicht leicht. Während viele Anhänger fernöstlicher Lehren den Monotheismus als das spirituelle Monsanto ansehen, schwebt in der Tora in der Geschichte von Nadav und Abihu das Fanal des Supergaus über jedem, der über Umwege auf den Sinai will. Die Söhne Aharons brachten ein nicht vorgesehenes Extra-Opfer dar, und schwups wird die Tora zu Netflix, und es geht schneller aufwärts als bei der NASA, nur eben ins absolute Nichts.

Wenn man sich trotzdem nicht davon abbringen lässt, die gnostische Tradition innerhalb des Judentums zu erforschen, hat man schnell mit angelsächsischen Kabbalisten zu tun, die eigentlich genauso krass sind wie man selbst, nur völlig ohne Ironie. Und auf der anderen Seite trifft man auf eine Skepsis, die in der Jüdischen Allgemeinen unlängst so umschrieben wurde: »Was Kabbala mit Achtsamkeit zu tun hat, ist mir zwar unklar, aber irgendwie muss man das Publikum ja anziehen.«

Modewort Ja, Achtsamkeit ist ein Modewort. Ein Eckart-von-Hirschhausen-Wort. Und wenn man ein Talmudist ist (wie Jeschajahu Leibowitz), kriegt man einen Koller, wenn jemand meint, er dürfe wie so ein Eichendorffscher Romantiker einfach dem Flusse lauschen, anstatt das Traktat Awoda Sara des Babylonischen Talmud im Eine-Seite-pro-Tag-Modus zu bochern. Und inwieweit soll Achtsamkeit etwas Heiliges sein?

Im Yoga heißt Achtsamkeit auch das bewusste Erfühlen des eigenen Körpers: bestimmte Bereiche mit bestimmten Praktiken anzusprechen. Doch wird das jetzt einfach mit der Kabbala vermengt, damit in der so schön bunten Esoterik-Ecke auch was Jüdisches steht? Oft leider ja, aber keineswegs immer, und bei uns schon gar nicht!

Im Buch Tikkunei Sohar 17b überliefert der Prophet Elijahu eine Erläuterung der Art und Weise, wie der Mensch im Bilde G’ttes, beziehungsweise Bilde der Sefirot, der Ausstrahlungen G’ttes im kabbalistischen Lebensbaum erschaffen wurde. Malchut ist das gesprochene Wort, Jesod der Beckenbodenbereich, Tiferet der Torso, und so weiter. Damit sind die jüdischen Chakren gesetzt. Sie sind Teil der jüdischen Tradition, genau wie Raschi und Rambam.

Mystik Und das Gute an der Tradition ist, dass sie selbst auch das Rezept für den Umgang mit Mystik liefert. Was erzählt der Midrasch? Vier Männer treten in den Garten der paradiesischen Mystik. Doch nur einer, Rabbi Akiwa, kommt auch wieder heil raus. Denn »er kam im Frieden, und ging im Frieden«. Also, ich höre da ein »Schalommmmm« raus.

Unser guter alter Säulenheiliger des deutschen Judentums, Moses Mendelssohn, war auch ein Eingeweihter. Während er die Bibel ins Deutsche übertrug, stieß er in Luthers Übersetzung auf »Herr« und war damit unzufrieden. Was machte er daraus?
Den Ewigen. Weg vom Untertanengeist, hin zum Zustand. Mendelssohn, du Ehrenmann.

Mein Tipp: dieses Jahr zu Rosch Haschana den Taschlich richtig bewusst zelebrieren. An einem Gewässer im Wald. Tief atmen, die Schöpfung mit allen Sinnen spüren und mit geradem Rücken und entspannten Schultern den Lebensbaum im eigenen Körper für 5779 mal kräftig gießen.

Und dann Krumen bei die Fische. Schana Towa!

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 27. Februar

 21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Bayern

NS-Raubkunst: Zentralrat fordert schnelle Aufklärung

Der Zentralrat der Juden verlangt von den Verantwortlichen im Freistaat, die in der »Süddeutschen Zeitung« erhobenen Vorwürfe schnell zu klären

 20.02.2025

Kolumne

Unentschlossen vor der Wahl? Sie sind in guter Gesellschaft – mit Maimonides

Der jüdische Weise befasste sich mit der Frage: Sollten wir als Kopfmenschen mit all unserem Wissen auch bei Lebensentscheidendem dem Instinkt vertrauen?

von Maria Ossowski  20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

NS-Unrecht

Jüdische Erben: »Bayern hat uns betrogen« - Claims Conference spricht von »Vertrauensbruch«

Laut »Süddeutscher Zeitung« ist der Freistaat im Besitz von 200 eindeutig als NS-Raubkunst identifizierten Kunstwerken, hat dies der Öffentlichkeit aber jahrelang verheimlicht

von Michael Thaidigsmann  20.02.2025

Literatur

»Die Mazze-Packung kreiste wie ein Joint«

Jakob Heins neuer Roman handelt von einer berauschenden Idee in der DDR. Ein Gespräch über Cannabis, schreibende Ärzte und jüdischen Schinken

von Katrin Richter  20.02.2025

Berlinale

Auseinandergerissen

Sternstunde des Kinos: Eine Doku widmet sich David Cunio, der am 7. Oktober 2023 nach Gaza entführt wurde, und seinem Zwillingsbruder Eitan, der in Israel auf ihn wartet

von Ayala Goldmann, Katrin Richter  19.02.2025

Berlin

»Sind enttäuscht« - Berlinale äußert sich zu Antisemitismus-Skandal

»Beiträge, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, überschreiten in Deutschland und auf der Berlinale eine rote Linie«, heißt es in einer Erklärung des Festivals

von Imanuel Marcus  19.02.2025