Meinung

Was ist eigentlich bei den Öffentlich-Rechtlichen los?

Foto: imago/Agentur 54 Grad

Es war ein Vorgang, der verstörte – und der einmal mehr deutlich machte, was passiert, wenn das in Sonntagsreden viel zitierte Versprechen »Nie wieder Antisemitismus!« dringend eingelöst werden müsste: Vor wenigen Wochen erst verhinderte lediglich eine umfangreiche mediale Berichterstattung, dass Nemi El-Hassan die neue Moderatorin der renommierten Wissenschaftssendung Quarks wurde. Es stellte sich heraus, dass die Journalistin als Teenager auf dem antisemitischen Al-Quds-Marsch in Berlin teilgenommen hatte und auch heute noch Beiträge befürwortet, in denen Solidarität mit palästinensischen Terroristen bekundet wird, die israelische Zivilisten ermordet haben.

radikalismus Dass ein radikaler Bruch mit dem Radikalismus der Teenagerjahre stattgefunden hat, kann also nicht behauptet werden. Der muss aber glaubhaft sein, wenn man bei einer Demonstration mitläuft, die zutiefst israelfeindlich ist und auf der massenhaft antisemitische Slogans wie »Juden ins Gas« gerufen wurden.

Für den WDR war das trotzdem kein Grund, El-Hassan endgültig eine Absage zu erteilen. Es brauchte schon die öffentliche Empörung aus Medien und Politik, um ihre Tätigkeit als Moderatorin zu verhindern. Wobei selbst danach der WDR den Kontakt nicht abbrechen wollte und nun erwägt, ihr einen Job hinter der Kamera anzubieten, im Autorenteam von Quarks.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Als hätte es diese Kontroverse nicht gegeben, stellt sich nur wenige Wochen später heraus, dass nun die umstrittene Autorin Feyza-Yasmin Ayhan im Autorenteam für die neue ZDF-Produktion Barrys Barbershop sitzt. Auch hier lohnt sich ein genauer Blick: Ayhan verbreitet eine lupenreine antisemitische Karikatur, träumt bei öffentlichen Auftritten von der Vernichtung Israels und sammelt Spenden für eine Organisation, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. So weit, so extremistisch. Trotzdem sieht das ZDF keine Notwendigkeit, die Zusammenarbeit abzubrechen. So kann der Kampf gegen Antisemitismus natürlich nicht funktionieren.

Unterdessen macht Malcolm Ohanwe, der als Journalist unter anderem für das öffentlich-rechtliche Online-Angebot Funk sowie für den Bayerischen Rundfunk und das ZDF arbeitet, auf seinem Twitter-Kanal immer wieder mit Aussagen von sich reden, die als dezidiert israelfeindlich gewertet werden müssen.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Hand aufs Herz: Wer Vielfalt wirklich schätzt, muss auch die Herausforderung einer vielfältigen Gesellschaft ernst nehmen. Zum Beispiel den immer stärker werdenden Judenhass, der sich gern als »Israelkritik« ausgibt. Eine »Israelkritik«, wie die von Ayhan, die von der Vernichtung Israels träumt und vor dem weltweiten Einfluss »der Zionisten« warnt, ist jedoch nur schlecht verkleideter Judenhass. Ihn zu übersehen, ist schwieriger, als ihn zu sehen. Zumindest hier drängt sich der Eindruck auf, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk den Hass auf Juden weniger schlimm findet, wenn er von einer freundlich auftretenden Migrantin kommt.

verantwortung Dabei kommt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk doch eine besondere Verantwortung zu, Extremismen wie Antisemitismus zu bekämpfen. Weder das ZDF noch der WDR machen aber aktuell den Eindruck, als ob sie sich dieser Verantwortung stellen würden. Im Gegenteil: Es scheint mittlerweile grundsätzlich möglich, trotz einer - lückenlos dokumentierten - extremistischen Haltung Karriere zu machen.

Vielleicht könnten ZDF und WDR versuchen, sich künftig eher bei denen zu bedienen, die keine Vernichtungsfantasien gegen Juden hegen, nicht auf »Tod dem Zionismus«-Hassdemos gehen oder gleich selbst beim Poetry-Slam von der Vernichtung Israel träumen?

Es gibt übrigens viele exzellente Journalisten mit Migrationshintergrund, die kein extremistisches Weltbild vertreten. Vielleicht könnten ZDF und WDR versuchen, sich künftig eher bei denen zu bedienen, die keine Vernichtungsfantasien gegen Juden hegen, nicht auf »Tod dem Zionismus«-Hassdemos gehen oder gleich selbst beim Poetry-Slam von der Vernichtung Israel träumen?

Diese Minimalanforderungen sollten weder für Bewerber noch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein Problem darstellen. In letzter Zeit aber scheiterten beide Seiten irritierend oft daran. Es wird Zeit, diese zivilisatorischen Brandmauern wieder hochzuziehen. (mit ja)

Veranstaltungen

Sehen. Hören. Hingehen.

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 21. November bis zum 28. November

 21.11.2024

Liedermacher

Wolf Biermann: Ein gutes Lied ist zeitlos gut

Er irre sich zuweilen, gehöre habe nicht zu den »irrsten Irrern«, sagt der Liedermacher

 21.11.2024

Nachruf

Meister des Figurativen

Mit Frank Auerbach hat die Welt einen der bedeutendsten Künstler der Nachkriegsmoderne verloren

von Sebastian C. Strenger  21.11.2024

Berlin

Ausstellung zu Nan Goldin: Gaza-Haltung sorgt für Streit

Eine Ausstellung würdigt das Lebenswerk der Künstlerin. Vor der Eröffnung entbrennt eine Debatte

von Sabrina Szameitat  21.11.2024

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 21.11.2024

Fachtagung

»Kulturelle Intifada«

Seit dem 7. Oktober ist es für jüdische Künstler sehr schwierig geworden. Damit beschäftigte sich jetzt eine Tagung

von Leticia Witte  20.11.2024

Meinung

Maria und Jesus waren keine Palästinenser. Sie waren Juden

Gegen den Netflix-Spielfilm »Mary« läuft eine neue Boykottkampagne

von Jacques Abramowicz  20.11.2024

Berlin

Von Herzl bis heute

Drei Tage lang erkundet eine Tagung, wie der Zionismus entstand und was er für die jüdische Gemeinschaft weltweit bedeutet

 20.11.2024

Antisemitismus

»Verschobener Diskurs«

Nina Keller-Kemmerer über den Umgang der Justiz mit Judenhass und die Bundestagsresolution

von Ayala Goldmann  20.11.2024