Dessau

»Was bleibt«

Szene mit dem Darsteller-Quartett Foto: Claudia Heysel

Jedes Theater soll auch bilden. Autorin und Regisseurin Carolin Millner macht daraus keinen Hehl, sondern ihre Methode. Auch in Dessau lernt man in ihrem neuen Stück Was bleibt. Das Leben der Familie Cohn jede Menge. Über Julie von Cohn-Oppenheim (1839–1903), die schon als kleines Mädchen auf der Straße ihre Schuhe verschenkte und später zu einer hochgeachteten Wohltäterin der Stadt wurde.

Oder über ihren Vater Baron Moritz von Cohn (1812–1900), der es nicht nur zum Hofbankier des anhaltischen Herzogs und des preußischen Kronprinzen und späteren Kaisers (Wilhelm I.) brachte, sondern auch als Finanzier des Eisenbahnbaus Verdienste in historischer Dimension erwarb.

Gerade dieser Exkurs ins 19. Jahrhundert aus der Perspektive einer in ihrer Zeit atemberaubend erfolgreichen jüdischen Familie in Deutschland lässt den Absturz in den Holocaust umso klarer erscheinen. Natürlich gibt es in der Szenenfolge von Millners dokumentarischem Theater auch einen Blick ins Zentrum der Finsternis. Zyklon B wurde in Dessau entwickelt. Aber das Ganze ist nicht besserwisserisch oder platt agitatorisch, sondern im Ton der historischen Recherche eher dezent nachdenklich.

Das junge Darsteller-Quartett aus Anja Bothe, Maribel Dente, Mona Georgia Müller und Edgar Sproß präsentiert seine Texte als exemplarische Erfolgsgeschichte einer Familie, die die eigene Identität zu wahren versucht und sich dabei gegen antisemitische Klischees und Intrigen von Konkurrenten zur Wehr setzt. In einer der musikalischen Einlagen von Jan Preißler auch mit einem pointierten musikalischen Hieb gegen Richard Wagner, dessen Festspielhauseröffnung in Bayreuth man wegen seines Antisemitismus nicht besucht.

Es ist zugleich eine Familiengeschichte, in der Julie die Balance zwischen Emanzipationsehrgeiz und Familieninteresse findet und den vom Vater favorisierten Sohn des Breslauer Bankhauses Oppenheim heiratet.

Am Ende sitzen alle vier auf einem der Quaderblöcke beziehungsweise Grabsteine der schlichten Bühne und lesen die Namen aller Dessauer Juden vor, die in der Zeitung am Tag nach der sogenannten Reichskristallnacht veröffentlicht wurden. Nur ein Dutzend von ihnen hat den Rassenwahn der Nazis überlebt.

Das Stück wird am 3., 6. und 8. Januar erneut am Anhaltinischen Theater Dessau gespielt.

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