Im Fadenkreuz des Leitfadens stehen die »Rechten«. Drei gestandene Autoren wollen uns erklären, wie wir mit ihnen reden sollen. Brauchen wir das wirklich, und hilft uns ihr Buch Mit Rechten reden. Ein Leitfaden, wenn wir nicht wissen, wie wir das anstellen sollen?
Vorweg ein a priori der Demokratie: Dass wir mit jedem reden dürfen und auch hin und wieder reden müssen, sollte unstrittig sein. Ebenso dürfte klar sein, dass wir es nicht mit der Intention eines Missionars tun sollten, nach dem Motto »Und willst du nicht mein Bruder sein, dann schlag’ ich dir den Schädel ein!«
Provokation Per Leo, Autor des zu Recht hochgelobtem Romans Flut und Boden, Maximilian Steinbeis, Betreiber des auch international angesehenen »Verfassungsblogs«, und Daniel-Pascal Zorn, promovierter Philosoph mit dem Spezialgebiet Argumentationslogik, verknüpfen mit ihrem »Leitfaden« fast Unvereinbares miteinander. Das Wichtigste: Sie entschleiern die Taktik der politisch organisierten Rechten als einfachen rhetorischen Trick. Auf die gut dosierte Provokation erwarten sie den Keulenschlag der Nicht-Rechten, den sie mit der unwahren Unterstellung kontern, man könne in diesem Staat nicht einmal mehr die Wahrheit sagen, ohne sofort diffamiert zu werden.
Die Autoren nennen Beispiele dafür: Björn Höckes Dresdner Rede mit dem Etikett »Denkmal der Schande« für das Berliner Mahnmal zur Erinnerung an die Ermordung der europäischen Juden. Die bekannte rechtsnationalistische Einstellung Höckes ließ nur eine der in der Tat mehrdeutigen Lesarten zu. Die deutsche und internationale Öffentlichkeit war zu Recht empört und kritisierte den AfD-Politiker. Das verlogene, »klarstellende« Nachwort Höckes triefte dann vor Opfertränen, die erneut Empörung auslösten.
Die Autoren des Leitfadens fassen diese rhetorische Taktik der »Rechten« kurz zusammen: Mal spielen sie den Täter, dann wieder das Opfer – immer ist ihnen Öffentlichkeit sicher. Diese Entlarvung des argumentativen Tricks könnte oberlehrerhaft wirken. Darum fügen die drei Autoren eine vierte Person ein, einen anonym bleibenden Unbekannten. Dieser fiktionale Teil des Buches verstört den an logischer Beweisführung interessierten Leser, noch dazu, wenn diese Person auf ihrem Sterbebett den herbeigeeilten Autoren ihren letzten Traum erzählt, dessen Deutung offenbleibt.
Humor Der irritierte Leser muss bei der Stange gehalten werden. Deshalb würzen die Autoren ihre zeitgeschichtliche Analyse mit einer für solche Arbeiten nicht üblichen Portion Humor, gutem Humor, teils in englischer Sprache, teils auch auf Kosten der »Linken«, denen sich die Autoren in vielem verbunden, aber keineswegs zugehörig fühlen.
So entsteht ein unterhaltsames Buch, das den »Rechten« wie den »Linken« nichts durchgehen lässt, aber wie bei einer fernöstlichen Verteidigungsmethode zunächst nachgibt, um dann argumentativ den Gegner – pardon: die Gesprächspartner! – kampfunfähig zu machen. Das gelingt mal besser und mal weniger gut, ist aber als »Sprachspiel« neuerer Art ein interessantes, für manche Leser sicher überzeugendes Experiment. Ob es auch funktioniert, wenn die »Rechten« nicht mitspielen, muss offenbleiben.
Der Leitfaden ist für die Argumentation mit der »offiziellen«, zwar oft widersprüchlichen, aber doch organisiert auftretenden »Rechten« konzipiert. Im Gespräch mit dem Einzelnen kommt es darauf an, die persönlichen und die gesellschaftlichen Bedingungen zu berücksichtigen, unter denen der Gesprächspartner zu einem der »Rechten« geworden ist, als der ja niemand geboren wird. Dass darunter viele Arbeiter sind, sagen die Wähleranalysen. Was hat die »geborenen Linken« zu »Rechten« gemacht? Es lohnt sich, hierzu Didier Eribons Studie Gesellschaft als Urteil zu lesen.
Per Leo, Maximilian Steinbeis, Daniel-Pascal Zorn: »Mit Rechten reden. Ein Leitfaden«. Klett-Cotta, Stuttgart 2017, 183 S., 14 €