Kontroverse

Vorhautmann gegen Monster-Mohel

Als Antisemit will Matthew Hess nicht angesehen werden. Der Kalifornier hat nichts gegen Juden, sagt er, nur gegen die Brit Mila. Als Präsident einer Anti-Beschneidungs-Initiative namens »Male Genital Mutilation Bill« hat Hess eine Volksabstimmung in San Francisco organisiert, bei der im November die Bürger darüber entscheiden sollen, ob in der Stadt zukünftig Beschneidungen von Minderjährigen als vorsätzliche Körperverletzung gelten und damit verboten sein sollen.

»Die Britmila ist nichts weiter als religiös getarnter Kindesmissbrauch«, wettert der Aktivist. »Warum soll ein acht Tage alter Junge gezwungen werden, seine Vorhaut zu verlieren, nur um die spirituellen Bedürfnisse anderer Menschen zu befriedigen?«

blutrünstig Dass Hess und seine Mitstreiter, allen Beteuerungen zum Trotz – »Wir wollen nicht antisemitisch sein, sondern pro Menschenrechte«–, sich jetzt dennoch dem Vorwurf ausgesetzt sehen, in Sachen Juden zumindest wenig Sensibilität zu zeigen, haben die Aktivisten sich selbst zuzuschreiben. Zwecks medialer Unterstützung ihrer Kampagne hat die Initiative einen Comic online gestellt, der es in sich hat. »Foreskinman« – Vorhautmann – heißt der Superheld der Bildergeschichte, der Kinderpenisse vor dem Bösen rettet.

Und dieses Böse hat einen Namen: Es ist Monster-Mohel, ein orthodoxer Beschneider, den, so der Comictext, »nichts mehr erregt als in das Penisfleisch eines acht Tage alten Babyjungen zu schneiden«. Entsprechend sieht der jüdische Antiheld aus: Schwarz gekleidet, um die Schultern einen Tallit, macht er sich, flankiert von Uzi-bewaffneten Helfern mit Bart und Pejes, lüstern grinsend an sein blutiges Werk. Doch die Rettung naht in Gestalt des titelgebenden Foreskinman: Blond, blauäugig und muskelbepackt, ein arischer Traummann, wie von Arno Breker modelliert, unterbricht er das Gebet – O-Ton Comic »Geplapper« – des Mohel und setzt ihn außer Gefecht.

ritualmord-legenden Selten seit Julius Streichers »Stürmer« hat eine Publikation so viele und so üble antisemitische Klischees auf einen Schlag vereint. Nicht von ungefähr fühlte sich die Anti Defamation League an mittelalterliche Ritualmordlegenden erinnert. Aber auch modernere Stereotype durchziehen den Comic, etwa, wenn von einer angeblichen »Pro-Beschneidungslobby« aus »gut vernetzten Anwälten und Ärzten« die Rede ist.

Matthew Hess, der die Bildergeschichte nicht nur herausgegeben, sondern auch selbst betextet hat, sieht keinen Grund, sich zu entschuldigen oder den Comic gar zurückzuziehen. Für ihn hat die Publikation wahrscheinlich genau ihren Zweck erfüllt. Seine Anti-Beschneidungs-Initiative, die bislang nur von lokalem Interesse war oder als kuriose Meldung auftauchte, ist jetzt Thema in den überregionalen Medien der USA. Nicht nur »sex sells«, sondern auch Antisemitismus.

Hessen

Darmstadt: Jüdische Gemeinde stellt Strafanzeige gegen evangelische Gemeinde

Empörung wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024 Aktualisiert

Kino

Film-Drama um Freud und den Lieben Gott

»Freud - Jenseits des Glaubens« ist ein kammerspielartiges Dialogdrama über eine Begegnung zwischen Sigmund Freud und dem Schriftsteller C.S. Lewis kurz vor dem Tod des berühmten Psychoanalytikers

von Christian Horn  19.12.2024

TV-Tipp

»Oliver Twist«: Herausragende Dickens-Verfilmung von Roman Polanski

Sittengemälde als düstere Bestandsaufnahme über die geschilderte Zeitperiode hinaus

von Jan Lehr  19.12.2024

Literatur

Gefeierter Romancier und politischer Autor: 150 Jahre Thomas Mann

Seine Romane prägten eine Epoche und werden noch heute weltweit gelesen. Zugleich war Thomas Mann auch ein politischer Autor, woran im Jubiläumsjahr 2025 zahlreiche Publikationen erinnern

von Klaus Blume  19.12.2024

Glosse

Kniefall 2.0

Ist Markus Söder jetzt alles Wurst oder erfüllt er nur die Erwartungen der jüdischen Gemeinschaft?

von Michael Thaidigsmann  19.12.2024

Aufgegabelt

Einstein-Lachs-Tatar

Rezept der Woche

 19.12.2024

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der Jüdischen Welt

 19.12.2024

Sehen!

Sigmund Freud und die Religion

Ein fiktiver Disput über die letzten Dinge: Matt Brown verfilmt das Buch von Armand Nicholi mit Anthony Hopkins als Sigmund Freud und Matthew Goode als C. S. Lewis

von Manfred Riepe  19.12.2024

Ausstellung

Kafka und die Künstler

Das Jüdische Museum Berlin konfrontiert das Werk des Schriftstellers mit moderner bildender Kunst

von Ayala Goldmann  19.12.2024