BDS-Bewegung

»Vorboten der Zensur«?

Auch Anhänger der israelfeindlichen BDS-Bewegung hätten Anspruch auf öffentliche Räume und staatliche Ressourcen, meinen deutsche Kulturschaffende. Foto: picture alliance / Sachelle Babbar

Mit einer gemeinsamen Initiative haben sich Vertreter unterschiedlicher Kulturinstitutionen gegen den Beschluss des Deutschen Bundestages zur israelfeindlichen BDS-Bewegung gewandt.

»Da wir den kulturellen und wissenschaftlichen Austausch für grundlegend halten, lehnen wir den Boykott Israels durch den BDS ab«, heißt es in einer am Donnerstag in Berlin vorgestellten Erklärung. »Gleichzeitig halten wir auch die Logik des Boykotts, die die BDS-Resolution des Bundestages ausgelöst hat, für gefährlich«, heißt es darin weiter. Unter Berufung auf die Resolution würden »durch missbräuchliche Verwendungen des Antisemitismusvorwurfs wichtige Stimmen beiseitegedrängt und kritische Positionen verzerrt dargestellt«.

HANDELN Bei einer Pressekonferenz im Deutschen Theater in Berlin sagte der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger: »Heute geht es um die gleichzeitige Auseinandersetzung mit Rassismus, Antisemitismus, Rechtsextremismus einer sich zunehmend polarisierenden Gesellschaft. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Opfer der Übergriffe gegeneinander ausgespielt werden. Wir brauchen ein entschiedenes Handeln aller Akteure und die unbedingte Verteidigung öffentlicher Räume, der freien Wissenschaft und einer unabhängigen Kultur.«

Der Staat, so Krüger weiter, garantiere dabei »Räume und Ressourcen, ohne sie einzunehmen oder in Besitz zu nehmen«. Er habe in der ersten Hälfte seines Lebens in der DDR genau dies vermisst, sagte der ehemalige DDR-Bürgerrechtler. Boykottaufrufe wie auch verordnete Ausschlüsse bestimmter Positionen stünden einer seriösen politischen Debatte im Wege, meinte Krüger. »Mir geht es auch heute immer noch um die Anerkennung und Wertschätzung von Positionen, die Fragen an unsere Gesellschaft, an unsere Privilegien und die verabredeten Konsense stellen«, meinte der frühere SPD-Politiker.

UNTERZEICHNER Der am Donnerstag vorgestellte Zusammenschluss nennt sich »Initiative GG 5.3 Weltoffenheit« in Anspielung auf die im Artikel 5 des Grundgesetzes festgeschriebene Kunst- und Wissenschaftsfreiheit. Die Erklärung wurde unter anderen unterzeichnet vom Intendanten der Berliner Festspiele, Thomas Oberender, dem Generalsekretär des Goethe-Instituts, Johannes Ebert, der Künstlerischen Direktorin der Kulturstiftung des Bundes, Hortensia Völckers, der Direktorin des Moses Mendelssohn Zentrums für Europäisch-Jüdische Studien, Miriam Rürup, und der Leiterin des Zentrums für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität, Berlin, Stefanie Schüler-Springorum.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Der Bundestag hatte im Mai 2019 den Israel-Boykott der sogenannten BDS-Bewegung verurteilt und deren Argumentationsmuster und Methoden als antisemitisch gewertet. Die Kampagne »Boycott, Divestment and Sanctions« wurde 2005 von mehr als 170 palästinensischen Organisationen gestartet. Von der israelischen Regierung, aber auch vielen jüdischen Organisationen, wird sie unter anderem deshalb als antisemitisch eingestuft, weil sie das Existenzrecht Israels als jüdischer Staat in Frage stellt. Dagegen verwahrte sich bei der Pressekonferenz in Berlin am Donnerstag zahlreiche Redner.

»GESINNUNGSPRÜFUNGEN« Auf die Frage eines Journalisten, inwiefern der Bundestagsbeschluss Auswirkungen auf die Arbeit der Bundeszentrale für politische Bildung habe, sagte Krüger: »Ich kann Ihnen ein Beispiel nennen: In unserer Institution gibt es eine Reihe von Mitarbeitern, die Förderanträge zu begutachten haben und die natürlich in der Reaktion auf diesen Beschluss dazu neigen, vorauseilend Gesinnungsprüfungen stattfinden zu lassen. Das ist kontraproduktiv für politische Bildung, so wie ich Sie Ihnen hier skizziert habe.«

Auch die Kritik an der Einladung des kamerunischen Wissenschaftlers Achille Mbembe als Hauptredner bei der später wegen der Corona-Pandemie abgesagten RuhrTriennale war für die Unterzeichner der Erklärung Anlass zu scharfer Kritik. In dem Aufruf heißt es wörtlich: »Es ist unproduktiv und für eine demokratische Öffentlichkeit abträglich, wenn wichtige lokale und internationale Stimmen aus dem kritischen Dialog ausgegrenzt werden sollen.«

https://www.youtube.com/watch?v=65swvfHlNfw

Hartmut Dorgerloh, Generalintendant der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, sagte: »Wir leben in einer Zeit der Abkehr von rationalem Handeln auf höchster politischer Ebene. […] Wir leben in einer Zeit, in der kritische Positionen gegenüber der israelischen Regierung mit Antisemitismus gleichgesetzt werden, während nationalistische und offen Kräfte an Fahrt gewinnen. Und wir leben in einer Zeit, in der die Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen Schaden nimmt, wenn Menschen wegen ihrer Haltung und Positionen ausgeladen werden und im öffentlich finanzierten Raum nicht mehr auftreten können, wie es kürzlich die israelischen Studierenden an der Kunsthochschule Weißensee erfahren mussten.«

DIALOG Die künstlerische Direktorin der Kulturstiftung des Bundes, Hortensia Völckers, kritisierte ebenfalls die BDS-Resolution. Hier sei »das Kind mit dem Bade ausgeschüttet« worden. »Der Dialog mit Künstlern und Wissenschaftlern wird eingeschränkt und erschwert«, behauptete sie.

Man müsse sich auch als politiknahe Institution Standpunkten öffnen, die die eigenen Weltsichten herausforderten, so Völckers. Niemand lade Künstler oder Wissenschaftler deshalb ein, weil diese BDS-Unterstützer seien. Dennoch hätten »moderne Staaten die Aufgabe ihre Kritiker nicht nur zu dulden, sondern sie gegebenenfalls zu fördern.« Völckers weitere: »Präventive Einschränkungen von Foren sind Vorboten der Zensur, ob dies nun durch Mittelentzug oder per Dekret geschieht.« mth/epd

Los Angeles

Trägerverein: Villa Aurora und Thomas-Mann-Haus unversehrt

Beide Häuser haben als Exil-Orte bedeutender Intellektueller während des Nationalsozialismus Bezug zu Deutschland

 11.01.2025

Kino

Die Literaturverfilmung der »Traumnovelle«

Arthur Schnitzlers Erzählung wird für diese filmische Umsetzung ins heutige Berlin verlegt

 11.01.2025

Theater

Berliner Ensemble benennt Innenhof nach Helene Weigel

Die Veranstaltung bildet den Auftakt für das vom »BE« ins Leben gerufene Helene-Weigel-Jahr

 11.01.2025

Nachruf

Keine halben Sachen

Die langjährige Israel-Korrespondentin der WELT, Christine Kensche, ist gestorben. Ein persönlicher Nachruf auf eine talentierte Reporterin und einen besonderen Menschen

von Silke Mülherr  10.01.2025

Nachruf

Eine unabhängige Beobachterin mit Herzensbildung

WELT-Chefredakteur Jan Philipp Burgard nimmt Abschied von Israel-Korrespondentin Christine Kensche

von Jan Philipp Burgard  10.01.2025

Kino

Road-Movie der besonderen Art

»A Real Pain« handelt von zwei Amerikanern, die auf den Spuren ihrer verstorbenen Großmutter durch Polen reisen und historische Stätten jüdischen Lebens besuchen

von Irene Genhart  10.01.2025

USA

Mel Gibson: »Mein Zuhause sah aus wie Dresden«

Zahlreiche Stars sind von der gewaltigen Feuerkatastrophe in Kalifornien betroffen. Auch Mel Gibsons Haus fiel den Flammen zum Opfer. Nach antisemitischen Einlassungen in der Vergangenheit irritiert er nun einmal mehr mit unpassenden Vergleichen

 10.01.2025

Österreich

Schauspiel-Legende Otto Schenk ist tot

Der Darsteller, Intendant, Autor und Regisseur mit jüdischem Familienhintergrund galt als spitzbübischer Spaßmacher und zugleich tiefgründig Denkender. Er war ein gefragter Künstler - auch in Deutschland und in den USA

von Matthias Röder  10.01.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  10.01.2025 Aktualisiert